1.
Timotheus 2, 1 6
1 So ermahne
ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte
und Danksagung für alle Menschen, 2 für die
Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und
stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und
Ehrbarkeit. 3 Dies ist gut
und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, 4 welcher will,
dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der
Wahrheit kommen. 5 Denn es ist
"ein" Gott und "ein" Mittler zwischen Gott
und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, 6 der sich
selbst gegeben hat für alle zur Erlösung, dass dies zu seiner
Zeit gepredigt werde.
Liebe Gemeinde,
Ihm war es peinlich dabei beobachtet zu
werden. Er dachte, seine Freunde könnten es peinlich finden,
uncool, wie sie es freundlich ausdrückten. Und er sah schon vor
sich, wie sie tuschelten, darüber redeten und sich lustig
machten. Guck mal der Spinner
.
Er tat es aber dennoch. Im Stillen und
für sich, er faltete die Hände, schloss die Augen, manchmal in
den Bankreihen einer Kirchen oder zu Hause, wenn er für sich
allein war, in seinem Zimmer, verborgen auch vor den Blicken
seiner Eltern und
. betete.
Er legte einfach los, erzählte alles,
was ihm durch den Kopf ging oder was ihn beschäftigte, er
schimpfte und beklagte sich, er schmunzelte und amüsierte sich,
er freute sich und hoffte, er dachte an Alltägliches und
Privates, wie die Mathearbeit am nächsten Morgen oder das Spiel
seiner Mannschaft am Wochenende oder spürte der Angst vor dem
Leben und der Zukunft nach, die junge Leute so manches Mal haben,
wenn sie das ganze Leben noch vor sich wissen und mit den
Gefahren und Konflikten in der Welt nicht so richtig umgehen
können.
Manchmal schweiften seine Gedanken ab und
er wusste gar nicht mehr so genau, ob er jetzt betete oder
einfach nur nachdachte, aber eigentlich war es ihm
egal, weil es ihm gut tat und er diese Zeiten brauchte. Ihm war
dann leichter um das Herz, er sah manchmal klarer, konnte
Entscheidungen treffen, machte sich nicht mehr so große Sorgen
und hatte auch das Gefühl, nicht so allein und hilflos in diesem
Leben und dieser Welt unterwegs zu sein. Er fand es überhaupt
nicht uncool, sondern als das Selbstverständlichste von der Welt.
Und vor allem bekam er keine klugen
Ratschläge, keine erhobenen Zeigefinger, keine rollenden Augen
als Antwort und wusste, alles bleibt ganz vertraulich und ganz
privat.
Ob seine Beten etwas verändert?
Das hatten sie ihn schon einmal gefragt
und ihm war nicht wirklich eine Gebetserhörung
eingefallen, mit der er hätte seine Kritiker beeindrucken
können. Aber er wusste, dass es ihn verändert, und damit
sein Denken und sein Handeln. Und damit veränderte es
auch die Welt.
Und was heißt schon Erhörung
.
Manche denken, Gott müsse alle Wünsche erfüllen. Ihm reichte
es zu spüren, dass ihm einer zuhörte ohne dumme Bemerkungen und
Blicke. Ihm reichte das Gefühl Verständnis zu finden. Deshalb
betete er, egal, was die anderen davon hielten. Manchmal auch nur
ein Vater unser, aber meist, wie es ihm gerade durch den Kopf
ging, frei von der Leber.
Und wie ist es bei Ihnen?
Die Not lehrt beten haben die
Alten gesagt und auch wer das nicht mehr behauptet oder darüber
als moderner und aufgeklärter Mensch lächelt, schickt dennoch
ein Stoßgebet zum Himmel, wenn es darauf ankommt: kurz bevor der
Brief mit der Antwort auf die Bewerbung geöffnet wird oder in
der Zeit im Wartezimmer des Hausarztes, der angekündigt hat, die
Untersuchungsergebnisse jetzt vorliegen zu haben
Man weiß ja nicht, wofür es gut ist,
oder schaden tut es ja auch nichts, so ein Gebet. Und es kostet
nichts, ist in dem Sinne tatsächlich umsonst, und vielleicht ja
doch nicht vergeblich.
In manchen Familien gehört das Gebet
noch zum festen Ritual: Komm, Herr Jesus, sei du
unser Gast und segne, was du und bescheret hast.
Oder Luthers Morgensegen: Ich
danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen
lieben Sohn, dass du mich diese Nacht vor allem Schaden und
Gefahr behütet hast, und bitte dich, du wollest mich diesen Tag
auch behüten vor Sünden und allem Übel, dass dir all mein Tun
und Leben gefalle. Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele
und alles in deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, dass
der böse Feind keine Macht an mir finde.
Viele Gottesdienstbesucher am
Sonntag morgen bleiben beim Eintreffen in der Kirche an ihrem
Platz in den Reihen erst einen Augenblick stehen und sprechen ein
kurzes Gebet oder verharren zumindest einen Moment schweigend und
in sich gekehrt.
Was wäre der Gottesdienst ohne
Gebet
Sicher, der Pfarrer spricht oft nicht mit
eigenen Worten, aber dafür Gebete, die womöglich so in diesem
Augenblick woanders auch gesprochen werden. Ich finde diesen
Gedanken ebenso tröstlich, wie die Gewissheit , dass ein Band an
Gebeten diese Welt umspannt und sie zusammenhält.Im Gottesdienst
wird mir geholfen, mit Gott in Kontakt zu kommen. Ich bin mit
meiner Hilflosigkeit, Gefühle, Gedanken, Sorgen oder Freude in
Worte zu kleiden, nicht allein, ich stehe in einer großen
Gemeinschaft in Zeit und Raum, in der Nachfolge meiner Vorfahren
und in der einen Welt und darf mir deren Worte ausborgen, als
wären es meine eigenen.
Ich bin aber nicht nur mit Menschen
konkret verbunden, weil ich mit ihnen oder mit ihren Worte beten,
sondern auch, weil ich für sie bete.
Es ist leicht, Vergeltung zu fordern für
das, was andere mit angetan haben. Es ist üblich auf die kleinen
Bosheiten und Verletzungen des Alltags mit Ärger und Zorn, mit
Verachtung und manchmal auch mit ein klein wenig Vergeltung zu
antworten, denn Strafe muss doch bekannterweise sein. Ich kann
aber auch für die, die mir nicht wohlgesonnen sind und die mir
nicht guttun, die mir nicht Gutes tun, beten und mich so in
Beziehung zu ihnen setzen, in dem ich sie zu meinem Anliegen vor
Gott mache und ihm überlasse, mein Anwalt ihnen gegenüber zu
sein.
Menschen, die füreinander beten, werden
nicht aufeinander einschlagen. Völker, die füreinander beten,
oder die reiche Welt, die sich der armen Welt erbarmt, wird den
Worten zu Gott und vor Gott hoffentlich auch Taten folgen lassen.
Eine Kirche, die die Trauernden Gott
anbefiehlt, wird den Traurigen einen Ort zum Weinen gewähren,
eine Kirche, die sich vom Schicksal der Menschen in Not und auf
Flucht berühren lässt, wird die Hand nicht vor den Bittenden
zur Faust verschließen.
Ich kann, mit Bonhoeffer gesprochen,
Beten und Tun des Gerechten nicht voneinander trennen.
Wer betet, kann auch Klartext reden
Beten wir für die, die für uns und
unsere Gesellschaft Verantwortung tragen, lassen wir sie nicht
allein, sondern nehmen Anteil an ihrer Aufgabe und ihrem Amt für
Frieden und Gerechtigkeit, aber auch Sicherheit und Ordnung zu
sorgen. Wir können aber auch unser Unverständnis und unsere
Kritik auf ganz anderer Ebene, vor einer himmlischen Instanz
konstruktiv und konkret aussprechen und erinnern so zugleich
Regierende und Regierte an die Verantwortung vor Gott, der sich
keiner wird entziehen können.
Die Friedensgebete in der Wendezeit waren
eine starke und gewaltfreie Form der Regierungs- und Regimekritik,
aber ganz anders als der Zorn vieler sogenannter Wutbürger heute
auf der Straße.
Für die Obrigkeit beten
heißt, nicht obrigkeitshörig werden und sich gleich und genehm
machen mit den Mächtigen, sondern durch Beten und Tun des
Gerechten die Verhältnisse zum Guten zu verändern.
Und nicht zuletzt verändert Gebet die
eigene Haltung und die eigene Wahrnehmung. Ich komme vom Bitten
und Klagen zum Danken. Ich entdecke nicht nur, was mir fehlt,
sondern auch, was mir geschenkt ist, was ich längst besitze, oft
nicht verdient, aber anvertraut und zugefallen.
Und wer beten nie gelernt hat, muss sich
nicht schämen. Es braucht dafür kein Diplom, sondern lediglich
ein Herz und den Mut, es zu wagen. Die Jünger waren sich nicht
zu schade, Jesus zu bitten: HERR, lehre uns beten. Der Apostel
fasst sich ein Herz und traut uns zu: dass man vor allen
Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle
Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir
ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller
Frömmigkeit und Ehrbarkeit.
So spreche ich Amen , d.h. So soll es
sein.