Liebe Gemeinde!
Es geht heute um Paulus und um den wohl persönlichsten Brief,
den er jemals an eine Gemeinde geschrieben hat.
Dazu möchte ich zunächst etwas ausholen:
Der Apostel Paulus war ein so genannter "Spätberufener".
In seinem "früheren" Leben hatte Paulus Christen bis
aufs Blut verfolgt bis ihn ein Erlebnis vor der Stadt
Damaskus völlig aus der Bahn warf. Daraufhin krempelte er sein
Leben völlig um, bekehrte sich zum Christentum und verbreitete
fortan selbst die Lehren Jesu.
Paulus war viel und weit unterwegs: Auf seinen Missionsreisen
durch Vorderasien und Griechenland gründete Paulus viele neue
christliche Gemeinden; die wohl bekanntesten sind Ephesus und
Korinth. Die Gemeinde in Korinth hat Paulus wahrscheinlich 3x
persönlich besucht, aber auch bei räumlicher Trennung blieb er
mit der Gemeinde in Verbindung. Drei Wege standen ihm dafür zur
Verfügung: die Sendung von Mitarbeitern, der Empfang von
Abgesandten der Gemeinde und die briefliche Korrespondenz.
In der jungen, aufstrebenden Gemeinde in Korinth gab es Stress:
Streit untereinander, Streit um das Gemeindeleben, um Sexualität,
Ehe und um Grundfragen des bisherigen und des neuen, christlichen
Glaubens. Daraufhin schrieb Paulus zur Schlichtung und Klärung
mehrere Briefe an die Gemeinde. Diese Korrespondenz ist in der
Bibel zu den zwei Korintherbriefen zusammengefasst.
Liebe Gemeinde,
unser heutiger Predigtabschnitt ist Teil einer Antwort des
Apostels Paulus auf eine kritische Situation in der noch jungen
Gemeinde in Korinth. Da waren Leute in die Gemeinde eingedrungen
und hatten mehr oder weniger offen gegen den Apostel Stimmung
gemacht. Sie stellten auf der einen Seite sich selbst heraus und
rühmten sich ihrer geistlichen Fähigkeiten, wahrscheinlich auch
geheimer Offenbarungen, und setzten gleichzeitig und auf der
anderen Seite den Apostel, den Gründer der Gemeinde, herab. Sie
streuten Zweifel aus, ob Paulus denn überhaupt ein echter
Apostel sei. Dabei konnten sie sich immerhin auf die Tatsache
berufen, dass Paulus ursprünglich ja Saulus kein
Jünger des irdischen Jesus gewesen ist, sondern in einer
Sonderoffenbarung, damals vor Damaskus, zum Apostel des
Auferstandenen berufen worden ist. Für Leute, die ihm nicht wohl
gesonnen waren, war das ein Einfallstor für Zweifel an seiner
Autorität.
Unser Predigttext nun ist ein Teil der Antwort des Apostels auf
diese Umtriebe und auf die Vorwürfe gegen ihn.
Ich lese: 2. Korinther 12, 1 - 10
1 Gerühmt muss
werden; zwar nützt es nichts, aber ich will auf Erscheinungen
und Offenbarungen des Herrn kommen. 2 Ich weiß von
einem Menschen in Christus, dass er vor vierzehn Jahren - ob im
Leib, weiß ich nicht, oder außer dem Leib, weiß ich nicht;
Gott weiß es -, dass dieser bis in den dritten Himmel entrückt
wurde. 3 Und ich weiß von
dem betreffenden Menschen - ob im Leib oder außer1 dem Leib,
weiß ich nicht; Gott weiß es -,
4 dass er in das
Paradies entrückt wurde und unaussprechliche Worte2 hörte, die
auszusprechen einem Menschen nicht zusteht. 5 Über diesen will
ich mich rühmen; über mich selbst aber will ich mich nicht
rühmen, nur der Schwachheiten. 6 Denn wenn ich
mich rühmen will, werde ich doch nicht töricht sein, denn ich
werde die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit
nicht jemand höher von mir denke, als was er an mir sieht oder
was er von mir hört,
7 auch wegen des
Außerordentlichen der Offenbarungen. Darum, damit ich mich nicht
überhebe3, wurde mir ein Dorn für das Fleisch gegeben, ein
Engel Satans, dass er mich mit Fäusten schlage, damit ich mich
nicht überhebe. 8 Um dessentwillen
habe ich dreimal den Herrn angerufen, dass er von mir ablassen
möge. 9 Und er hat zu mir
gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft kommt in
Schwachheit zur Vollendung. Sehr gerne will ich mich nun vielmehr
meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi bei mir
wohne.
10 Deshalb habe ich
Wohlgefallen an Schwachheiten, an Misshandlungen, an Nöten, an
Verfolgungen, an Ängsten um Christi willen; denn wenn ich
schwach bin, dann bin ich stark.
Soweit der Brief.
Wie gesagt, ich finde, ein spannender und sehr persönlicher
Briefausschnitt. Und ich möchte da mal ein paar wichtige Punkte
herausgreifen.
Diese Angeberei ist dumm... Paulus
entschuldigt sich zunächst bei seinen Briefadressaten dafür,
dass er sich genötigt sieht, seine Taten und Legitimation als
Apostel herausstellen zu müssen. "Eigenlob stinkt",
sagt man so... Eigene Vorzüge und Erfolge hebt man nicht selber
hervor heute nicht und damals auch schon nicht. Aber
manchmal wenn's denn kein anderer für einen tut, muss man
sich doch selbst ins rechte Licht rücken und Selbstdarstellung
betreiben. Schauen wir nur in die Politik, da sehen wir es jeden
Tag also wofür Paulus sich hier so umfänglich
entschuldigt, ist eigentlich nichts Außergewöhnliches.
Außergewöhnlich und sehr persönlich, ja, ganz intim, ist
allerdings das, wovon Paulus dann schreibt: Er berichtet von
Visionen und Offenbarungen, die er vom Herrn empfangen hat.
14 Jahre liegt dieses Erlebnis nun schon zurück und erst
jetzt berichtet der Apostel davon.
Es war nicht das erste Mal, dass Paulus so ein umwerfendes, tief
beeindruckendes Erlebnis widerfuhr: Vorher hatte er sein
Bekehrungserlebnis vor Damaskus: dort wurde er von einem grellen
Licht geblendet, er und seine Begleiter hörten die Stimme des
Herrn und Paulus blieb für 3 Tage blind, bis ihn ein Jünger
Jesu sozusagen "erlöste". Auch mit diesem Erlebnis
ging Paulus nicht "hausieren" ich kann das gut
verstehen ... schließlich soll einen ja auch niemand für "gaga"
halten.
Hier in dem Brief an die Korinther berichtet Paulus von einer
anderen Art der Vision und Offenbarung.
Er fühlte sich in den Himmel gehoben, er wusste sich ins
Paradies versetzt...
Aber ob sein Körper dort war oder nur sein Geist vermag Paulus
nicht zu sagen.
Paulus beschreibt diese (bereits 14 Jahre zurückliegende)
Erfahrung auch in diesem Brief immer noch mit stammelnden Worten...
das zeigt mir, wie beeindruckend sie für ihn gewesen sein muss!
Ja wahrscheinlich ist dies die allererste Beschreibung
einer außerkörperlichen Erfahrung, einer NahtodErfahrung!
Auf einer seiner Reisen zusammen mit dem Apostel Barnabas wurde
Paulus in der Stadt Lyra nämlich verfolgt und gesteinigt. Alle
dachten, er sei tot aber dann ist er dem Tod doch noch mal
von der Schippe gesprungen...und da könnte er diese Vision,
diese Offenbarung gehabt haben.
Paulus wusste sich ins Paradies versetzt und hörte
unaussprechliche Worte, hörte erstaunliche Dinge, die sich nicht
in Worte fassen lassen...
Und solch ein Erlebnis ist und bleibt dann eine starke Triebkraft:
- solch ein Erlebnis gibt Kraft, anhaltende Kraft, stellt den
eigenen Glauben auf feste Füße:
- es wird eigenständig SELBST-GEGLAUBT weil es eigene
Erkenntnisse, eigene Wahrheiten gibt.
- und so etwas macht unabhängiger + gleichzeitig demütiger.
Paulus verfügte über diese starke Triebkraft, wie wir an seiner
Lebensgeschichte sehen: durch Höhen und Tiefen, Verfolgungen und
widrigste Lebensumstände blieb er seinem erworbenen Glauben treu
und trug ihn sogar noch weiter!
Paulus erzählt also von seiner Vision, seiner Offenbarung,
seiner außerkörperlichen Erfahrung.
Aber damit ihn dieses Erleben nicht überheblich werden lässt,
wird ihm ein Dorn ins Fleisch gegeben. Paulus beschreibt diesen
Dorn im Fleisch als "Boten Satans, der ihn mit Fäusten
schlägt." Mit heutigem medizinischem Wissen könnte es sich
bei Paulus' Krankheit am ehesten um Epilepsie oder um eine
schwere Migräne gehandelt haben.
Jedenfalls wird das Leiden nicht näher beschrieben...
und lässt damit Platz für eigene Überlegungen:
- Wie leicht bilden wir uns etwas ein... auf unser Können,
unsere Erfolge!
- und ...haben wir schon einmal nachgedacht, wem wir sie zu
verdanken haben?
- Und haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt:
"Wo ist mein Dorn?" oder "Was ist mir ein Dorn im
Auge?"
- Ja "Was ist mein Stachel?"
Wo + was ist das, was mich ständig ärgert?, was ich gerne weg
hätte?
... meine Krankheit ... ...mein kleines oder
größeres "Zipperlein"?
In Krankheitszeiten habe ich mich schon oft gefragt: Wozu soll
das dienen?
Um Inne-zu-halten? Um das Lebenstempo ein wenig zu entschleunigen?
Vielleicht dient es aber wirklich nur dazu, nicht überheblich,
nicht übermütig zu werden sondern demütig zu erkennen,
dass der Erfolg immer mehrere Väter hat!!!
Nun Paulus jedenfalls hat unter seinem Leiden / unter
seiner Krankheit stark gelitten mindestens 3x hat er Gott
inständig angefleht, ihn davon zu befreien...vergebens.
Die Beantwortung seiner Gebete hatte Paulus sich als ein GESUND-WERDEN
erhofft aber er erhielt als Antwort jedes Mal den Satz:
- "Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist
in den Schwachen mächtig." (Luther)
- "Meine Gnade ist alles was du brauchst. Meine Kraft zeigt
sich in (trotz) deiner Schwäche." (Neues Leben)
- "Lass dir meine Zuwendung genügen, das reicht für ein
ganzes Leben." (D.H.)
Welche Liebe liegt in diesen Worten!
Für mich hört sich das an wie eine fürsorgende Mutter, die ihr
gerade hingefallenes Kind aufhebt, es tröstend in die Arme nimmt
und sagt: "Alles wird wieder gut...".
"Lass dir meine Zuwendung genügen, das reicht!"
Das reichte zumindest dem Apostel Paulus um sagen zu können:
"Ja, wegen Christus kann ich es von ganzem Herzen
akzeptieren, dass ich mit Schwachheiten leben muss."
Paulus sieht sogar in seinen Schwächen und körperlichen Leiden
Vorteile: denn dadurch wird das Wirken Gottes in ihm und durch
ihn viel deutlicher und klarer erkennbar, als wenn er ein super
charismatischer Power-Apostel gewesen wäre.
Paulus bekommt auf seine Leiden, auf seine Unzulänglichkeiten
also eine neue Perspektive ...er erfuhr persönlich, dass
Schwachheit nicht SCHWÄCHE bedeutet:
Schwachheiten sind kein Makel, sondern gehören zum Leben dazu.
Und ich glaube, dass vielleicht gerade da wo und bei wem
man es nicht vermutet wo das Gelingen nicht von mir und
meiner Kraft abhängt dass dort Gottes Wirken am
leichtesten erkannt werden kann...
So heißt es in einem Lied:
Lass dir an meiner Gnade genügen, so sagt Gott:
denn meine Kraft ist mächtig in Schwachheit und in Not.
Ich kenne deine Ängste und höre dein Gebet,
und du sollst nie vergessen, dass Christus bei dir steht.
AMEN und das heißt so soll es sein
Und der Friede Gottes, der höher ist als
alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen