Predigt
zu 1. Korinther 1:4-9,
Dank
für Gottes reiche Gaben in Korinth
4 Ich danke meinem Gott allezeit
euretwegen für die Gnade Gottes, die euch gegeben ist in
Christus Jesus, 5 dass ihr durch ihn in allen Stücken
reich gemacht seid, in allem Wort und in aller Erkenntnis. 6 Denn
die Predigt von Christus ist unter euch kräftig geworden,
7 sodass ihr keinen Mangel habt an
irgendeiner Gabe und wartet nur auf die Offenbarung unseres Herrn
Jesus Christus. 8 Der wird euch auch fest machen bis
ans Ende, dass ihr untadelig seid am Tag unseres Herrn Jesus
Christus. 9 Denn Gott ist treu, durch den ihr berufen
seid zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn.
Amen
Liebe
Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder
«Gnade
sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn
Jesus Christus.» (1. Korinther 1,3)
So
begrüsst Paulus seine Glaubensgeschwister in Korinth, um dann
mit Lob und Dank weiterzufahren, wie wir dies im Predigttext
gehört haben. Er kennt die meisten der Briefempfänger wohl
persönlich: Eineinhalb Jahre hat er in Korinth gewohnt und
gewirkt, gepredigt und den neuen christlichen Glauben mit ihnen
geteilt. (Apostelgeschichte 18,11) Nun, nach rund 3 Jahren in der
Stadt Ephesus, wendet er sich mit einem ausführlichen Brief an
sie. Er wird einige Probleme mit ihnen behandeln müssen, die ihm
zu Ohren gekommen sind und Fragen beantworten, die ihm direkt
oder in indirekt gestellt wurden. Es geht um Streitigkeiten,
geistliche und moralische Herausforderungen. Doch dies alles
kommt erst an zweiter Stelle: Zuerst und vor allem anderen will
sich Paulus mit ihnen auf die Grundlagen des Glaubens
zurückbesinnen, er möchte gemeinsam mit ihnen dankbar auf
das Gute bauen.
Wer
ein Haus bauen will, tut gut daran, zunächst ein stabiles und
beständiges Fundament zu legen. Wer auf einem sicheren Fundament
weiterbaut, dessen Haus wird sicher stehen und Schutz bieten,
auch in den Stürmen und Widrigkeiten des Lebens. So hat es schon
Jesus am Ende seiner Bergpredigt treffend zusammengefasst: «Jeder,
der diese meine Worte hört und danach handelt, ist einem klugen
Mann gleich, der sein Haus auf Fels gebaut hat. Da gingen
Regengüsse nieder, Sturzbäche kamen, und Winde wehten und
warfen sich gegen das Haus, und es stürzte nicht ein. Denn Fels
war sein Fundament.» (Matthäus 7,24-25)
Gottes
Worte aus dem Munde von Jesus Christus sind das beständige
Fundament, der sichere Fels, auf dem «kluge Menschen»
weiterbauen.
Im Brief an die Korinther wird Paulus nicht nur die Worte,
sondern die Person Jesus Christus als Fundament bezeichnen: «Denn
ein anderes Fundament kann niemand legen als das, welches gelegt
ist: Jesus Christus.»(1.Korinther 3,11)
Dieses
Fundament hat Paulus vor wenigen Jahren in Korinth gelegt. Darauf
haben andere aufgebaut. Und wie in jedem Haus, hat sich nach und
nach vielerlei angesammelt, Wertvolles und Unrat, Hilfreiches und
Zerstörerisches. Davon will Paulus zunächst nichts wissen und
nichts sehen: Er betrachtet bewusst das gute, sichere Fundament.
Woraus
besteht dieses Fundament, was sind die Steinbrocken, die sicheren
Felsen in diesem Fundament?
Paulus
zählt mindestens fünf «fundamentale» Bausteine auf. Fünf
Grundsteine, aus denen wir in der deutschen Sprache einen
Stabreim bilden können. Sie können auch die fünf Finger einer
Hand zur Hilfe nehmen und diese grundlegenden Begriffe daran
abzählen:
1.
Gnade
2.
Gottes Wort
3.
Geistesgaben
4.
Gelassenheit im Gericht
5.
Gemeinschaft
1.
Gnade: Der grosse, entscheidende aber auch schillernde und
schwer fassbare Begriff des christlichen Glaubens bei
Paulus allgegenwärtig und in der Reformation von Luther, Zwingli
und anderen wiederentdeckt. «Sola gratia», allein durch Gnade,
lautete ihre Formel: Alle unsere guten Werke können Gott nicht
gnädig stimmen, werden uns den Himmel nicht erkaufen können. Es
ist und bleibt Gottes Geschenk, dass er «Gnade vor Recht»
gelten lässt und dafür seinen Sohn in diese Welt gesandt hat:
Jesus Christus bezahlt den Preis für unsere Erlösung. Und in
der Symbolik des Hausbaus gesprochen: Das Fundament für unseren
Hausbau ist von Gott bereits bezahlt, weil wir die Kosten nie
selbst tragen könnten. An dir und an mir ist es, dankbar darauf
aufzubauen. Von Kindesbeinen an sind wir darauf trainiert,
möglichst alles selbständig zu tun. Selbständigkeit ist und
bleibt ein hohes menschliches Gut. Gnade aber können wir uns
nicht selbst erarbeiten, es gibt sie nur als Geschenk. Gnade ist
der erste Grundstein im Fundament der Gemeinde in Korinth und
jeder christlichen Gemeinde.
2. Gottes
Wort: «In ihm seid ihr reich geworden
an allem: reich an Wort und Erkenntnis aller Art.» (Vers
5)
In
den eineinhalb Jahren seiner Predigttätigkeit in Korinth hat
Paulus die frohe Botschaft, das Evangelium in seiner ganzen Tiefe
und Breite erzählt und nach und nach in den Köpfen, Herzen und
Lebensgeschichten der Korinther ein Haus der Gnade und des
Glaubens aufgebaut. Stein auf Stein, Bericht um Bericht,
Gleichnis um Gleichnis hat er die Mauern höher gezogen, so dass
Gottes Geist darin wohnen und wirken kann. Die Korinther haben
nicht bloss einen Reichtum an Worten, so wie wir ihn mit Google
oder auf Wikipedia abrufen können. In ihnen ist auch Erkenntnis
gewachsen, [ gr. p?s????se?] tiefe Einsicht und Verständnis für
die göttlichen Weisheiten. Auch das ist letztlich ein Geschenk
und eine Gnade: Wir können unseren Schülern und Schülerinnen
im Religionsunterricht und ihnen als GottesdienstbesucherInnen
den Reichtum der göttlichen Worte ausbreiten, in
Erinnerung rufen und immer neu lieb machen, aber dass daraus
Erkenntnis und sogar Weisheit wächst, liegt nicht mehr in
der Hand des Erzählers. Ein Baumeister kann ein Fundament legen
und Mauern aufrichten: Das Haus mit Leben, Farben und Freude
füllen, ist in den Händen der Bewohner. Der Reichtum an
biblischen Worten ist schier unermesslich: Gut 31'000 Bibelverse
sind zu zählen und beinahe 750'000 Worte. Mehr als genug, um
sich immer neu darin zu vertiefen und sich Bausteine für den
persönlichen Glauben auszuwählen. Als Kind habe ich sehr gerne
mit Lego-Steinen gespielt und immer neue Bauwerke erstellt:
Stellen Sie sich eine Lego-Kiste mit 31'000 oder gar 750'000
Bausteinen vor; was sich daraus alles bauen und gestalten lässt!
Die Vielfalt und der Reichtum der Worte Gottes bilden die
weiteren Grundsteine für den Bau der Gemeinde, klug ist der
Mensch, der damit weiterbaut.
3. Geistesgaben: [?a??sµata/
Charismata] Paulus wird in den Kapiteln 12-14 seines Briefes an
die Korinther die Geistesgaben ausführlich beschreiben. Wie die
Gliedmassen an einem Leib wirken sie zusammen, ergänzen und
bereichern sich gegenseitig und machen den Leib Christi bis heute
lebendig. Die Liebe ist dabei das Mass aller Dinge (Kapitel 13).
Und auch die heute weniger bekannten Gaben der Prophetie und
Zungenrede werden in ihrer Wirkung und Bedeutung genau
beschrieben. Hier zu Beginn seines Briefes stellt Paulus in aller
Knappheit fest: Es mangelt euch an nichts! Die Geistesgaben sind
reichlich und vielfältig vorhanden, das wird in den späteren
Kapiteln deutlich. Dort wird Paulus auch über Auswüchse reden
müssen, über den Neid, das Vergleichen, das höher oder tiefer
Achten von einzelnen Gaben. Doch vorerst ist ihm wichtig
festzuhalten: Die Gemeinde hat keinen Mangel an irgendeiner Gabe.
Wie sieht unser Befund aus, wenn wir unsere Gemeinden betrachten?
Kommen wir zum selben Schluss wie Paulus? In kirchlichen Kreisen
wird oft auf die Frage nach der Befindlichkeit der christlichen
Kirche mit dem Hinweis auf ihr Schrumpfen geantwortet: «Kleiner,
ärmer und älter» werde die Kirche. Das ist ein möglicher
Blickwinkel, jener von Paulus der gesunde und ursprüngliche
Kontrapunkt dazu: Es mangelt euch an nichts! Es ist und bleibt
allerdings die Herausforderung der christlichen Kirche aller
Jahrhunderte, die Geistesgaben ihrer Mitglieder zu entdecken, zu
wecken, zu fördern und im Gemeindeleben einzusetzen.
Bei
der Vorbereitung von Konfirmationen ist es für mich immer neu
eine positive Erfahrung, welche Kräfte und welche Kreativität
freigesetzt werden, wenn man den KonfirmandInnen den Freiraum und
die Unterstützung dafür gibt. Da wird musiziert, gebastelt und
an kleinen Theaterszenen gefeilt, weil es ja nicht die
Konfirmation der Pfarrperson sein soll, sondern die
unverwechselbare und einzigartige Konfirmation der aktuellen
Konfirmandengruppe. Wenn es dann gelingt, die eben erst erwachten
Gaben und Interessen der Jugendlichen weiter zu fördern und zu
fordern, wird unsere Kirche bald ähnlich bunt und vielfältig
wie jene in Korinth. Selbstverständlich verfügen nicht nur
junge Erwachsene über die Anlagen für geistliche Gaben: Diese
sind allen Christen anvertraut, die sich vom Geist Gottes
innerlich erbauen lassen.
Die
Geistesgaben, die Charismen aller Christen und Christinnen sind
eine weitere wesentliche Grundlage für den Aufbau von Gottes
Gemeinde.
4. Gelassenheit
im Gericht: Die ersten Christen waren zutiefst davon
überzeugt, dass Jesus bald wiederkommt, das Reicht Gottes
vollendet und Gericht hält über die Christen und die Völker.
Paulus spricht seinen Geschwistern in Korinth zu: Ihr werdet
nichts zu befürchten haben, wenn euer Glaube auf der Gnade
gegründet ist, Gottes Wort die Bausteine für euren Glauben und
euer Leben liefert und Gottes Geist euch befähigt, seine Werke
zu tun.
Jesus
Christus selbst wird euch festigen, stärken, beständig machen.
Das Wort, das hier verwendet wird, lautet in der lateinischen
Übersetzung confirmabit, dasselbe Wort, das unserer
Konfirmation und der katholischen Firmung zu Grunde liegt. Jesus
Christus selbst wird euch «konfirmieren», er bestätigt,
bestärkt, festigt euch in eurem Glauben bis zum Ende des Lebens,
bis zum göttlichen Gericht.
Die
Konfirmation ist demnach keine einmalige Sache - bei uns am Ende
der ordentlichen Schulzeit - sondern ein lebenslanger Prozess
zwischen Jesus Christus und jedem einzelnen Christen, jeder
einzelnen Christin.
Die
Erfahrungen rund um die eigene Konfirmation in jungen Jahren
können sehr unterschiedlich sein: Für die einen bilden sie das
Sprungbrett zum persönlichen Glauben und Engagement in der
Kirche, für andere sind sie eher der offizielle Abschluss der
kirchlichen Laufbahn. Paulus ermutigt uns und fordert uns heraus:
Lass dich von Jesus Christus ein Leben lang immer neu
«konfimieren»! Es geht um nicht weniger als dein «Gutes
Ende» im Angesicht von Sterben, Tod und Gericht.
Gelassenheit
im Gericht bildet den Abschlussstein in deinem Glaubensbauwerk:
Wohl dem, der sich von Jesus Christus beständig bestärken und
festigen lässt und am Ende ohne Fehl und Tadel dasteht!
5. Gemeinschaft:
«Treu ist Gott, durch den ihr berufen wurdet
in die Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus,
unserem Herrn.» (Vers 9) Nur ganz wenige
Menschen werden ein Haus ganz alleine bauen wollen, die Mehrheit
ist dankbar und darauf angewiesen, dass eine Vielzahl von
Fachkräften bei der Planung, beim Bau und beim Einrichten eines
Hauses mitwirkt. Genauso geht auch Gott vor beim Bau seiner
Gemeinde: Er legt mit Jesus Christus das Fundament, gibt durch
sein Wort Anweisungen und lässt durch den Heiligen Geist
Inspiration und Freude einfliessen, aber vieles überlässt er
denen, die er «in die Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus
Christus berufen» hat. Und wie auf jeder Baustelle nicht immer
alles rund läuft, gibt es auch beim Bau der Gemeinde in Korinth
da und dort Missverständnisse und «Baufehler», die zu
verbessern sind. Sechzehn Kapitel lang im ersten Brief und
weitere dreizehn im zweiten Brief an die Korinther wird Paulus
Anweisungen geben, wie die Gemeindeglieder in Korinth ihr
Gemeindebauwerk gemeinsam bauen und bewohnen sollen. Aktuelle
Kirchenordnungen und Handreichungen für kirchlich Engagierte
führen diese «Bauanleitungen» fort. Zwei grundlegende Dinge
für das gemeinsame Bauen an Gottes Bauwerk sollen nicht
vergessen gehen: Gott ist treu. Er steht und schaut seit 2'000
Jahren zu seiner Kirche und wird es auch weiterhin tun. Und die
Gemeinschaft unter den christlichen Geschwistern kann noch so
kompliziert und konfliktbeladen sein: Als Christen stehen wir
nicht allein zueinander in Gemeinschaft, sondern zuerst und
entscheidend mit Gottes Sohn Jesus Christus. Im Kapitel vor den
Geistesgaben wird Paulus über das Abendmahl berichten: Dieses
begründet und bestätigt unsere Gemeinschaft mit Gott und
untereinander. So ist auch die Gemeinschaft zunächst ein
Geschenk und eine Gabe, bevor sie zur Aufgabe und Herausforderung
wird.
1.
Gnade: Gott legt das Fundament nimm es dankbar an und bau
darauf weiter!
2.
Gottes Wort: Tausende von Bausteinen für dein Glaubenshaus
und den Bau der Gemeinde; zugreifen geboten!
3.
Geistesgaben: Es mangelt euch an nichts! Entdecke deine
Gaben, setze sie ein und es wird lebendig auf Gottes Baustelle!
4.
Gelassenheit im Gericht: Auch für das «Happyend» ist
gesorgt; lass dich in deinem Glauben immer neu «konfirmieren»,
bestätigen, bestärken!
5.
Gemeinschaft: Gestärkt durch die Gemeinschaft mit Christus
erlebst und vertiefst du die Gemeinschaft mit christlichen
Geschwistern: Gemeinsam wirkt ihr an Gottes Bau mit!
Amen