Johannes 20, 11-18

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen.

Liebe Gemeinde,

Stellen Sie sich vor: Sie gehen an einem Sonntagnachmittag wieder mal auf den Friedhof.
Um das Grab der Oma zu besuchen. Um ein paar frische Blumen hinzustellen.
Um sich ein paar stille Minuten an schöne Erlebnisse zu erinnern. Und dann kommen Sie zum Grab – und das Grab ist aufgegraben. Sie gehen hin und schauen runter ins Grab – und der Sarg ist auch offen. Und die Oma ist weg. Im Sarg liegt nur noch das leere Kleid von der Oma, das mit dem Blümchenmuster. Ihr Sonntagskleid, das sie bei Ihrer Beerdigung angezogen bekam.
Kein Leichnam, keine Knochen. Nichts. Nur das leere Kleid. Und die Unterwäsche.
Ordentlich zusammengelegt. Können Sie sich das vorstellen?

Dann können Sie sich
 ein bisschen hineinversetzen in die Maria. Maria von Magdala hat das nämlich genau so erlebt. Na ja – fast so. Es war nicht in Augsburg sondern in Jerusalem.
Sie ging nicht zum Grab ihrer Oma sondern zum Grab von Jesus. Sie war noch nicht oft hingegangen sondern ging zum ersten Mal hin – denn er lag erst seit vorgestern drin.
Sie hatte keine Blumen dabei sondern Salben. Aufgegraben hat auch niemand was, denn es war eine Grabnische in einer Felswand und der Verschlussstein war zur Seite gerollt.
Und Jesus hatte natürlich kein Blümchenkleid an sondern Leinentücher und ein Schweißtuch um den Kopf. Und im Grab war nicht nur nichts sondern eine ganze Menge anderer Leute.
Aber bevor es zu
 verwirrend wird, lese ich uns die ganze Geschichte aus dem Johannesevangelium einfach mal vor:

Jesus begegnet Maria aus Magdala

11 Inzwischen war auch Maria zum Grab zurückgekehrt und blieb voll Trauer davor stehen. Weinend schaute sie in die Kammer 12 und sah plötzlich zwei weiß gekleidete Engel an der Stelle sitzen, wo Jesus gelegen hatte; einen am Kopfende, den anderen am Fußende.

13 "Warum weinst du?", fragten die Engel. "Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingebracht haben", antwortete Maria aus Magdala. 14 Als Maria sich umblickte, sah sie Jesus vor sich stehen. Aber sie erkannte ihn nicht.  15 Er fragte sie: "Warum weinst du, und wen suchst du?" Maria hielt Jesus für den Gärtner und fragte deshalb: "Hast du ihn weggenommen? Dann sag mir doch, wohin du ihn gebracht hast. Ich will ihn holen."

16 "Maria!", sagte Jesus nun. Sie wandte sich ihm zu und rief: "Rabbuni!" Das ist Hebräisch und heißt: "Mein Meister." 17 Jesus sagte: "Halte mich nicht fest!2 Denn ich bin noch nicht zu meinem Vater zurückgekehrt. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe zurück zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott!" 18 Maria aus Magdala lief nun zu den Jüngern und berichtete ihnen: "Ich habe den Herrn gesehen!" Und sie erzählte alles, was ihr Jesus gesagt hatte.

Der auferstandene Jesus ist als erstes einer Frau begegnet. Manche sind der Meinung, das hat Jesus darum so gemacht, weil er wollte, dass sich die Neuigkeit schnell verbreitet. Aber ich glaube nicht, dass das der eigentliche Grund war. Frauen waren damals Menschen zweiter Klasse. Zum Beispiel zählte ihre Aussage als Zeuge bei Gericht nicht. Und Jesus hatte schon immer eine Vorliebe für die Menschen zweiter Klasse. Das war schon bei den Hirten in der Nacht seiner Geburt so. Für die, die im Schatten stehen. Die niemand sonst beachtet.
Die niemand für wichtig hält. Die sind Jesus schon immer wichtig gewesen.
Die hat er schon immer besonders beachtet. So wie Maria. Ihr begegnet er als erstes.
Und zwar nicht, weil sie besonders gläubig ist. Überhaupt nicht. Auch sie denkt nicht an die Möglichkeit „Auferstehung von den Toten“. Niemand hat damit gerechnet. Die Jünger nicht.
Die Römer nicht. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten nicht. Und Maria auch nicht.
Ihr erster Gedanke ist: „Sie haben ihn weggenommen!“ Sie denkt nicht an Auferstehung, sondern an Grabräuberei. Das müssten übrigens komische Grabräuber sein, die die Leiche klauen, sie aber vorher ausziehen und die Klamotten da lassen. Maria denkt:
„Wo haben sie ihn hingelegt?“ Sie denkt überhaupt nicht an Auferstehung, sondern an Umbettung. 
Der Gedanke „Auferstehung“ kommt uns Menschen nicht. Er sprengt unser Vorstellungsvermögen. Er übersteigt unser Denken.

Der Gedanke an Auferstehung kommt Maria erst, als sie Jesus begegnet. Und zuerst erkennt sie ihn nicht einmal, sie hält ihn für einen Gärtner – so wenig rechnet sie damit, dass er wieder lebendig ist. Denn er war doch wirklich tot – mausetot. Völlig leer geblutet. Die Römer waren Hinrichtungsprofis. Die haben keine halben Sachen gemacht. Da gab’s keine Irrtümer, keine Scheintoten. Er war wirklich ganz und gar tot – und jetzt steht er da. Und er begegnet ihr als erster. Weil die Männer, Petrus und Johannes schon wieder heimgegangen sind.
Weil sie anscheinend wichtigeres vorhatten? Wer weiß? Maria ist dageblieben. Sie hat sich Zeit genommen. Und Jesus ist ihr begegnet. Also: Wenn Du Jesus begegnen willst, geh nicht gleich wieder heim, wenn es nicht sofort geklappt hat. Bleib da und warte. Nimm dir Zeit. Anscheinend lohnt es sich!  Jesus ist Maria begegnet. Maria, die geweint hat vor Schock, vor Schmerz, vor Trauer. Die Männer haben nicht geweint. Typisch Mann halt. Keine Gefühle zeigen. Vielleicht haben sie es auch einfach besser verkraftet als Maria. Maria hat es vielleicht nötiger gehabt, dass ihr geholfen wird. Ihr ist Jesus als erstes begegnet, denn Gott ist denen nahe, die ein zerbrochenes Herz haben. Die stehen auf seiner Liste ganz oben, ganz vorne.

Der von den Toten auferstandene Jesus begegnet als erstem Maria. Und sie erkennt ihn nicht.
Sie erkennt ihn erst, als er sie mit ihrem Namen anspricht. Erst, als der ihren Namen ruft – „Maria“ – da fällt es ihr wie Schuppen von den Augen. Es ist, wie das Wort aus dem Jesajabuch es sagt: „Fürchte dich nicht! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“
Maria erkennt Jesus, als der sie anredet. Da bleibt für sie keine Frage offen: Wo er herkommt, ob jemand ihm geholfen hat, ob er verletzt ist. Sie hört ihn, sie sieht ihn und sie glaubt an ihn.
Sie glaubt: Der lebendige Jesus hat den Tod besiegt.  Maria ist damals Jesus direkt begegnet.
Sie hat ihn mit eigenen Augen gesehen. Wir haben ihn nicht selber gesehen. 
Aber auch uns hat Jesus mit unserem Namen gerufen und uns gesagt: Fürchte dich nicht, du gehörst zu mir! Damals, als wir getauft worden sind. Auch wir sind gemeint. Und vielleicht habt ihr diesen Ruf in eurem Herzen auch schon gehört. Wie euch der lebendige Gott beim Namen nennt. Und sagt: Ich bin bei dir. Fürchte dich nicht. Du gehörst zu mir. Und seitdem wissen wir: Er lebt. Und er ist da. Er ist da bei mir. Aber gesehen haben wir ihn nicht.

Wir sind auf die Berichte dieser Menschen angewiesen. In meinen Augen sind das sehr glaubhafte Berichte. Mich überzeugt es, wenn ich von diesen Menschen lese, die überhaupt nicht mit einer Auferstehung gerechnet haben, wenn sie erzählen, dass ihnen der Auferstandene begegnet ist. Mich überzeugt es, wenn ich lese, wie die Menschen, die nie im Leben damit gerechnet haben, Jesus noch einmal zu sehen, ihm auf einmal gegenüberstanden und ihn für ein Gespenst gehalten haben. Mich überzeugt es, wenn ich lese, was für eine Mühe Jesus hatte, seine Jünger davon zu überzeugen, dass er wirklich da ist und kein Gespenst und keine Halluzination oder sonst etwas ist. Und mich überzeugt es, wenn ich lese, wie sich die Jünger verändert haben. Auf einen Schlag. Durch ein Erlebnis. Aus Feiglingen wurden mutige Menschen. Aus am Boden zerstörten hoffnungslosen deprimierten Wracks wurden Menschen voller Lebendigkeit und Freude und Hoffnung und Lebenslust. Aus in sich gekehrten Menschen, die sich verkrochen haben, wurden Menschen, die in alle Welt gingen um den Menschen die beste aller Nachrichten zu sagen: Der Tod ist am Ende! Das Leben ist stärker!
Geh zu meinen Brüdern und erzähle ihnen, was du gesehen hast! Mit diesem Auftrag hat Jesus Maria weggeschickt. Und sie ist zu ihnen gegangen und hat ihnen gesagt: Ich habe den Herrn gesehen! Und mit diesem Auftrag sind seither alle Christen unterwegs um es jedem Menschen zu sagen:

Der Tod ist am Ende! Das Leben ist stärker!

Christen sind Protestleute gegen den Tod, hat Christoph Blumhardt einmal gesagt. Und sie sind Reklameträger für die Freude am Leben, sage ich. Und darum haben die Christen in Griechenland heute um Mitternacht Feuerwerke angezündet. Trotz Eurokrise. Und heute gibt’s dort Lammfleisch am Spieß und Rotwein und jeder Fremde, der vorbeikommt, wird eingeladen.
Und darum werden heute in Irland Heringe beerdigt - als Zeichen dafür, dass die strenge Fastenzeit, in der Heringe eine Hauptmahlzeit sind, nun zu Ende ist. Und darum hängen in Mexiko in der ganzen Osterwoche über den Straßen Girlanden aus buntem Toiletten- und Krepppapier. Und darum lassen die christlich-orthodoxen Bulgaren nach der Messe Ostereier an Kirchenmauern genussvoll zerplatzen oder bewerfen den Rest der Familie mit ihnen und glauben, dass derjenige, dessen Ei nicht zerbricht, das erfolgsreichste Familienmitglied des kommenden Jahres sein soll. Und darum bespritzen sich in Polen Menschen auf der Straße am Ostermontag gegenseitig mit Wasser, das an die Taufe eines Prinzen erinnern soll, der den Polen das Christentum brachte.

Heute feiern wir das Leben. Wir feiern die Auferstehung Jesu. Wir feiern den Sieg des Lebens über den Tod. Denn Jesus Christus ist auferstanden. Er ist wirklich auferstanden.
Gott sei dank!

So sage ich Amen – so soll es sein

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, regiere unsere Herzen, in Jesu Christus      Amen