Sprüche 8, 22 36
Dein Wort sei meines Fußes Leuchte, und
ein Licht auf unseren Wegen.
Amen
Liebe Gemeinde,
Erinnern wir uns an den Anfang. Ganz am
Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Zuerst war die Erde wüst und
leer und finster. Dann kam Gottes Geist, schwebte über den
Wassern, wie es heißt, und es wurde Licht. Und nach und nach
wurde es immer heller und geordneter und lebendiger. Licht,
Wasser, Pflanzen, Tiere. Und am Ende, Krone der Schöpfung, der
Mensch. Geschaffen als Mann und Frau, Ebenbild Gottes.
Und Gott sah an alles, was er
gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.
Erinnere uns an den Anfang. Am Anfang
als Leben begann, sprachst du zu uns: Ihr seid willkommen, hast
uns an die Hand genommen. Erinnere uns an den Anfang, an Ursprung
und Werden, Vergehen, damit wir das Leben verstehen, damit wir
klug werden.
Klug und weise werden, wenn wir uns an
den Anfang erinnern, davon redet auch das Bibelwort aus dem Buch
der Sprüche, über das wir heute nachdenken sollen. Es redet von
der Weisheit und von Gottes Schöpfung. Und erinnert uns an den
Anfang.
Der Herr hat
mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von
Anbeginn her. Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe
die Erde war. Als die Tiefe noch nicht war, ward ich geboren, als
die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen. Ehe denn
die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln ward ich geboren, als
er die Erde noch nicht gemacht hatte noch die Fluren darauf noch
die Schollen des Erdbodens. Als er die Himmel bereitete, war ich
da, als er den Kreis zog über der Tiefe, als er die Wolken
droben mächtig machte, als er stark machte die Quellen der Tiefe,
als er dem Meer seine Grenze setzte und den Wassern, dass sie
nicht überschreiten seinen Befehl; als er die Grundfesten der
Erde legte, da war ich beständig bei ihm; ich war seine Lust
täglich und spielte vor ihm allezeit; ich spielte auf seinem
Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern.
So hört nun auf mich, meine
Söhne! Wohl denen, die meine Wege einhalten! Hört die Zucht und
werdet weise und schlagt sie nicht in den Wind! Wohl dem Menschen,
der mir gehorcht, dass er wache an meiner Tür täglich, dass er
hüte die Pfosten meiner Tore!
Wer mich findet, der findet
das Leben und erlangt Wohlgefallen vom Herrn.
Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich
hassen, lieben den Tod.
Wir wissen nicht genau, wer hier spricht.
Jedenfalls erinnert uns die Stimme an den Anfang. Wenige Zeilen
davor sagt die Stimme: Ich, die Weisheit wohne bei der
Klugheit. Es ist wohl die Stimme der Weisheit, der Klugheit,
der Erkenntnis. Eine Stimme, die den Menschen hilft, klug zu
werden. Das Gute im Blick zu halten und das Falsche zu meiden.
Und diese Stimme der Weisheit erzählt,
dass sie dabei war, ganz am Anfang, als Gott Himmel und Erde
erschuf. Sie war da, bevor die Erde und alles Lebendige auf ihr
geschaffen wurden. Frau Weisheit, Frau Klugheit, vielleicht so
etwas wie ein weibliches Gegenüber Gottes, vielleicht auch sein
Kind, seine Spielgefährtin, Quelle seiner Inspiration und
Kreativität.
Auf ungewöhnliche Art und Weise wird
hier vom Schöpfungshandeln Gottes gesprochen. Fast so, als
wirkte die Weisheit als eigenständige Größe bei der Schöpfung
Gottes mit. Ich war beständig bei ihm; ich war seine Lust
täglich und spielte vor ihm allezeit. Und sie sagt weiter:
Ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den
Menschenkindern. Das erinnert uns an Kinder, die vertieft
in ein Rollen-Spiel oder ins Sandburg-Bauen sind. Und alles um
sich herum vergessen und nur bei sich und den Mitspielenden sind.
Und glücklich dabei sind. Und im Reinen mit sich und ihrer
Umwelt.
Man hat viel darüber nachgedacht und
spekuliert, wer da spricht und wie man sich diese Weisheit, die
ganz am Anfang dabei gewesen sein will, vorstellen kann. Am Ende
ist das aber auch nicht so wichtig.
Das Wesentliche ist, dass ein Loblied
gesungen wird auf Gottes wunderbare Schöpfung. Und dass es klug
und weise und lebensnotwendig und lebensrettend ist, diese
wunderbare Schöpfung Gottes und seinen Plan für diese Welt zu
beachten. Denn am Ende geht es um Leben und Tod. Wer mich
findet, der findet das Leben. Und: Wer mich verfehlt,
zerstört sein Leben.
Liebe Gemeinde, wenn wir uns an den
Anfang erinnern und daran, dass Gott diese Erde gut und schön
geschaffen hat, dann löst das in vielen von uns erst einmal
Staunen und Dankbarkeit aus. Es ist doch jedesmal aufs Neue
faszinierend, wenn nach einem langen Winter der Frühling ins
Land einzieht: Wiesen grün werden, Bäume blühen in weißer und
rosaroter Pracht, Blumen aus der Erde kommen und die ersten
Bienen fliegen und die Tage länger und heller und wärmer werden.
Mir erscheint das jedenfalls gar nicht banal und auch gar nicht
selbstverständlich. Es tut einfach nur gut und erfüllt mich mit
großer Dankbarkeit, dass uns diese Erde geschenkt wurde. Und
dass der Kreislauf von Werden und Vergehen, der Ablauf der
Jahreszeiten so verlässlich ist.
Anderes erfüllt mich auch mit
Dankbarkeit. Es ist nicht nur Staunen und Dankbarkeit über die
Schöpfung, die Natur um uns herum. Es ist auch Dankbarkeit über
vieles, was mir im Lauf meines Lebens widerfahren ist. Meine
Generation gehört zu der Generation, die nie einen Krieg oder
eine Diktatur erlebt hat. Die nichts anderes kennt als Frieden
und Wohlstand. Wir haben Zugang zu Bildung gehabt und können
diesen auch unseren Kindern geben. Wir haben genug zu essen und
zu trinken, wir haben niemals gehungert und können in jeden noch
so entlegenen Winkel dieser Welt reisen mit unseren europäischen
Reisepässen, die das habe ich neulich gelesen zu
den wertvollsten Pässen auf der ganzen Welt gehören.
Wenn ich dankbar auf den Abschnitt in der
Weltgeschichte blicke, in dem ich leben darf, dann gehört auch
das europäische Friedensprojekt seit Ende des Zweiten
Weltkrieges erwähnt. In zwei Wochen sind Europawahlen und das
Interesse an Europa ist so schwach wie nie zuvor. Menschen
verbinden nichts mehr mit Europa, sie sind gleichgültig geworden
und schimpfen meist nur noch über irgendwelche Verordnungen, die
denen in Brüssel mal wieder eingefallen sind. Das
ist sehr traurig.
Denn Europa ist mehr als Brüssel.
Europa ist ein großartiges und einzigartiges Friedens- und
Versöhnungsprojekt. Wir leben auf diesem Kontinent schon so
lange in Frieden und Wohlstand wie niemals zuvor. Und gehören zu
den ganz Privilegierten auf dieser Erdkugel. Und das war
wohlgemerkt nicht immer so. Dieser Kontinent ging auch schon
unter in Blut, Schweiß und Tränen. Und manche unter uns haben
daran noch ganz konkrete Erinnerungen, keine guten!
Das Friedensprojekt Europa gehört für
mich auch zum Schöpfungs- und Versöhnungshandeln unseres Gottes.
Und dazu, dass sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die
Weisheit unter den Menschen immer wieder vor der Dummheit
durchgesetzt hat. Es ist wichtig, dass wir das stark machen. Und
dass wir weiterhin von Menschen und Verantwortlichen in Politik
und Gesellschaft geleitet sind, die weise sind und verständig;
die den Frieden im Sinn haben, die Gerechtigkeit in den
Mittelpunkt ihres Tuns stellen, die den Minderheiten und den
Flüchtenden Schutz und Recht geben, die dazu beitragen, dass
Menschen sich kennen und verstehen und versöhnen. Und eben nicht
durch populistische Zuspitzungen Menschen gegeneinander
aufbringen. So hört nun auf mich, meine Söhne und
Töchter. Wohl denen, die meine Wege einhalten!
Liebe Schwestern und Brüder, wir leben
in einer Welt, in der die Weisheit verdrängt wird und die
Torheit immer lauter schreit. Das ist nichts Neues.
Offensichtlich gab es das auch schon vor 2000 Jahren. Sonst gäbe
es dieses Bibelwort nicht. Wir leben in einer Zeit und einer Welt,
in der die Erkenntnis, dass wir Menschen nicht alles uns selbst
und unserem eigenen Tun, unserer eigenen Leistung verdanken,
nicht mehr oft vorhanden ist. Wir reden viel lieber von dem, was
Menschen alles tun können, was sie alles entwickeln können, was
noch mehr konsumiert werden kann, wo Leistung noch effektiver
werden kann.
Es sind die Kinder und Jugendlichen, die
uns mit ihren Demonstrationen Fridays for Future
darauf hinweisen, dass es ein Zu Spät geben könnte.
Und dass wir viel zu lange schon auf Kosten der Natur und auf
Kosten von Menschen in anderen Ecken dieser Welt leben. Der
Klimawandel muss uns etwas angehen! Unsere Erde, von der wir
Christinnen und Christen sagen, Gott habe sie gut und schön
geschaffen, ist in Gefahr. Und auch dieses besondere und
einzigartige Friedensprojekt Europa ist in Gefahr. Es droht
auseinanderzubrechen und in einzelne nationalistische Interessen
und Egoismen zu zerfallen.
Und das sollte uns bei aller Dankbarkeit
über das, was uns geschenkt ist, Sorge bereiten und uns
aufrütteln. Nichts anderes ruft uns die Stimme der Weisheit aus
der Bibel zu. Und sagt, es geht um Leben und Tod.
So hört nun auf mich, meine Söhne
und Töchter! Wohl denen, die meine Wege einhalten! Hört die
Zucht und werdet weise und schlagt sie nicht in den Wind! Wohl
dem Menschen, der mir gehorcht, dass er wache an meiner Tür
täglich, dass er hüte die Pfosten meiner Tore! Wer mich findet,
der findet das Leben und erlangt Wohlgefallen vom Herrn. Wer aber
mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen,
lieben den Tod.
Nehmen wir uns das zu Herzen an diesem
schönen Maisonntag: Es gibt viel Grund zum Staunen und zur
Dankbarkeit über das, was uns von Gott geschenkt ist: eine
wunderbare Natur, Leben in Frieden und Freiheit, genug zu essen
und zu trinken, immer noch genug Luft zum Atmen. Ein Leben in
Wohlstand, Freiheit zum Denken und Freiheit zum Glauben. Und auch
Menschen um uns herum, die es gut mit uns meinen. Das ist alles
viel Grund zum Staunen und zu Dankbarkeit und gar nicht
selbstverständlich.
Aber Gott hat uns auch einen Verstand
gegeben, dass wir die Zerbrechlichkeit von all diesem Guten sehen
und wahrnehmen. Und uns, wo wir auch sind und wie wir es können,
für den Erhalt all dessen einsetzen. Und das können wir nicht
immer aus uns selbst heraus. Manchmal sind wir mutlos und
ängstlich. Deshalb ist es gut, dass Gott uns in diesem Einsatz
zur Seite steht. Er geht selbst mit uns durch diese Welt. Dafür
steht Jesus, den er in diese Welt geschickt hat, der diese Welt
erlebt und erlitten hat. Der auch den Tod besiegt hat, der sich
immer wieder anschickt, der Meister zu sein.
Ostern liegt erst drei Sonntage zurück.
Es ist der Osterjubel, der uns die Kraft geben soll, uns
einzusetzen für all das, was Gott gut geschaffen hat. Und dass
wir diese Welt nicht den zerstörerischen Kräften überlassen.
Lasst uns einstimmen in den Osterjubel, dass der Tod verschlungen
ist in den Sieg. Und dann das Nötige tun, dass das Leben siegt
genau dort, wo uns Gott hingestellt hat.
So spreche ich Amen. So soll es sein.