Johannes 6, 30-35
30 Da sprachen sie zu ihm: Was tust du
für ein Zeichen, auf dass wir sehen und dir glauben? Was wirkst
du? 31 Unsre Väter haben Manna gegessen in der Wüste,
wie geschrieben steht (Psalm 78,24): »Brot vom Himmel gab er
ihnen zu essen.« 32 Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich,
wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel
gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. 33 Denn
dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt
das Leben. 34 Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns
allezeit solches Brot.
35 Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin
das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern;
und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.
Liebe Gemeinde,
Ihr Herrn, die ihr uns lehrt, wie man
brav leben, Und Sünd und Missetat vermeiden kann,
Zuerst müsst ihr uns was zu fressen
geben, Dann könnt ihr reden, damit fängt es an.
Ihr, die ihr euren Wanst und unsre
Bravheit liebt, Das eine wisset ein für allemal,
Wie ihr es immer dreht, und wie ihrs
immer schiebt, Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Erst
muss es möglich sein auch armen Leuten, Vom grossen Brotlaib
sich ihr Teil zu schneiden.
Bertolt Brecht soll ja mal
auf die Frage nach seinem Lieblingsbuch geantwortet haben: sie
werden lachen, die Bibel. Ja, jener Bertolt Brecht, der hier um
die Ecke gelebt und auch konfirmiert wurde.
Sie werden lachen, vielleicht, vielleicht
bei dieser Moritat aber auch nicht, zu drastisch, zu laut, zu
direkt, zu frech
Mir fielen zum Predigttext zwei
Zeitgenossen aus den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten
Jahrhunderts ein. Zuallererst Bertolt Brecht mit seiner
Dreigroschenoper, einem politischen Theaterstück mit bissiger
Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft und ihren
Ungerechtigkeiten aus den zwanziger Jahren und dem geflügelten
Wort: erst kommt das Fressen ,dann die Moral.
Natürlich lebt der Mensch nicht vom Brot
allein, würde er der Hauptfigur seines Lieblingsbuches
Jesus antworten, aber er lebt doch auch nicht ohne Brot.
Was nützen Anstand und Ehrlichkeit, was nützt Moral, wenn ich
ehrlich und anständig, moralisch einwandfrei verhungere
?
Was kann ein leerer Bauch hören, lernen,
produktives und kreatives zustande bringen, für Frieden,
Freiheit und Gerechtigkeit bewerkstelligen?
Was passiert in den Köpfen der Kinder
und Jugendlichen im armen Simbabwe oder im reichen Deutschland,
die morgens ohne Frühstück in die Schule gehen?
Ich kann seelischer Not nicht begegnen,
ohne den leiblichen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Keiner wird mir meinen Glauben glauben,
wenn ich nicht die schmerzhaften, körperlichen Nöte und das
soziale Elend wahrnehme und Antworten auf die drängenden Frage
versuche und Ungerechtigkeit bekämpfe.
Verkündigung ohne Diakonie, Gottesliebe
ohne Menschen- und Nächstenliebe gibt es nicht. Der Glaube
verkriecht sich nicht in das Kämmerchen, sondern geht
auf die Straßen und zu den Brennpunkten und hält das Elend aus.
Auch populistische Verführer wissen: mit
Brot und Spielen bekomme ich das Volk. Macht die Leute satt und
unterhaltet sie
dann habt ihr sie und habt Ruhe.
Ob das Volk von Jesus ähnliches erwartet
? Brot und Spiele, Wunder und Zeichen wie das Manna in der Wüste,
Brot das über Nacht vom Himmel fällt, nur eingesammelt werden
muss und jeden Tag ausreichend da ist ? Brot und Spiele oder wie
ich dieser Tage las: populistische Politiker kommen daher als
Hauptpersonen einer öffentlichen Telenovela
, alle schauen
gebannt zu, werden unterhalten und können ihre Kommentare
abgeben. Das ist wie eine große Show, nur eben leider auch das
wahre Leben.
Aber jeder weiß: Tag für Tag das
gleiche Brot ist wie Tag für Tag die gleiche Not, die gleiche
Leier. Was mich heute satt macht, habe ich morgen schon satt. Am
Ende lebt der Mensch wohl wirklich nicht vom Brot allein, auch
wenn ich ihm nicht ohne Brot mit der Moral kommen. muss Ich komme
gegen den Populismus, seine einfachen und verführerischen
Antworten, seine Gefahr der Verblendung und Täuschung nicht an,
wenn ich mich ihm nicht auch sozial stelle. Denn intellektuell in
Nadelstreifen und mit Schlips statt Springerstiefel kann er
populistisch populär mittlerweile auch!
Natürlich ist Brot in der Rede Jesu nur
ein Platzhalter, Platzhalter für die wahren Lebens-mittel, die
ich wie das tägliche Brot brauche, auf der Suche nach dem Grund,
dem Sinn, dem Ziel meines Lebens, wenn ich nicht nur
funktionieren und durchhalten will: Brot haben, leben können,
schenkt Frieden, ebenso einen Platz zu haben, von dem
einen keiner verdrängt, in einer Gemeinschaft zu leben statt
allein, eine Aufgabe zu haben, die mehr ist als das tägliche
Herbeischaffen von Nahrung, die Sinn hat und Erfüllung gibt, ein
Haus haben, einen Tisch, einen Menschen, der einen versteht. (nach
Jörg Zink)
Es reicht am Ende eben nicht einen vollen
Bauch zu haben, aber den Hunger nach Leben nicht gestillt zu
bekommen
Es braucht Lebens-brot, das ich nicht
beim Bäcker und erst nicht im Backshop bekomme.
Das bringt mich zum zweiten Zeitgenossen
und einem Gedicht, das keine Moritat, eher ein geistliches Lied
ist:
Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und
Brot
um Errettung aus Krankheit, Schuld und
Tod.
So tun sie alle, alle, Christen und
Heiden.
Eines der berühmten Gefängnisgedichte
von Dietrich Bonhoeffer aus dem Jahr 1944. Viel
zu ernst um jetzt mit einem Lächeln darüber hinwegzugehen. Aber
es beschreibt die Not, die uns Menschen allesamt verbindet. Es
braucht im Leben mehr als einen vollen Bauch, auch wenn es ohne
vollen Bauch nichts ist.
Krankheit, Schuld und Tod stellen das
Leben grundsätzlich in Frage. Solche Schrecken wie der Tod des
achtjährigen Jungen in Frankfurt, ohne Sinn und verstand vor
einen Zug gestoßen.
Hier sind in der Hilf- und
Ratlosigkeit alle Menschen gleich. Die Kranken sehnen sich nach
Heilung, die Schuldigen möchten im besten Fall ihr Tat
ungeschehen machen oder verdrängen sie ein Leben lang mit
ungeahnten Folgen, den Tod möchten wir am liebsten verleugnen.
Er ist der große Infragesteller, zeigt mir meine Ohnmacht und
lässt selbst Gott in schlechtem Licht erscheinen.
Wo bist du? fragen Menschen und Gott
schweigt mitunter.
Menschen gehen zu Gott in Seiner Not,
finden ihn arm, geschmäht, ohne
Obdach und Brot,
sehen ihn verschlungen von Sünde,
Schwachheit und Tod.
Christen stehen bei Gott in Seinen
Leiden.
So haben sch viele Gott dann doch nicht
vorgestellt. Ein großer Zampano würde die Missstände auch
meines Lebens mit einem Federstreich beseitigen und meine
Wünsche und Begierden erfüllen, meine Wunschwelt erschaffen.
Was tust du denn für Zeichen Jesus?
Das mindeste wäre doch vom Kreuz
herabzusteigen, um es allen zu zeigen. Was ist das für ein
Zeichen: arm, geschmäht, ohne Obdach und am Ende nicht nur
während der Versuchung in der Wüste ohne Brot ?
Was soll das bedeuten, sich im Zeichen
eines Stückes Brot, gebrochen, zerteilt und zerkrümelt, den
Menschen in Erinnerung zu bringen?
Es ist wirklich ein Hinweis, dass meine
Maßstäbe und Vorstellungen vom Leben, vom Sinn, von der Zeit
und von Gott zurechtgerückt werden müssen. Reichtum, Ansehen,
Haus im Grünen und hohes Alter sind nicht alleinige Kennzeichen
des Glücks, weil sie vergehen und ich sie im Tod nicht mitnehmen
kann.
In meinem Glück und in meinem Unglück
zu Gott gehen zu können, in Freud und Leid, auf den Höhen und
den Tiefen einen Freund an meiner Seite zu wissen, der nicht
wegtaucht oder bagatellisiert, sondern aushält und mitschweigen,
mitweinen, mitlachen kann, das ist der wahre Schatz im Leben,
kostbar und köstlich wie ein Stück frisch gebackenes und
gebrochenes, geteiltes Brot.
Gott geht zu allen Menschen in ihrer
Not,
sättigt den Leib und die Seele mit
Seinem Brot,
stirbt für Christen und Heiden den
Kreuzestod,
und vergibt ihnen beiden.
Wenn es ein Zeichen gibt, das zu beachten
sich lohnt, dann ist es dieser Gott bei den Menschen, in der
Tiefe und nicht auf der Höhe oder in der Macht der Großen und
Angesehenen.
Er lehrt mich das Leben nicht zu
verklären und hilft mir, die Erwartungen zu erden:
Leben heißt geboren werden und auf Hilfe angewiesen zu sein, zu
lachen und weinen, zu wachsen und begrenzen, hinzufallen und
aufzustehen, zuschenken und geschenkt zu bekommen, schuldig zu
werden und zu vergeben, zu trösten und getröstet zu werden, zu
sterben und am Ende
aufzuerstehen.
Christen brechen ein Stück Brot in ihren
Händen und teilen das Leben und die Hoffnung auf den, der am
Ende wahrhaft Lebens-mittel in allen Lebenslagen ist.
Wer zu mir kommt, den wird nicht
hungern, und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.
Wohin gehen wir also ?
Sehen wir die Zeichen der
Menschenfreundlichkeit und Güte Gottes auch im Dunkel, sehen wir
die Spuren des Lebens inmitten der Not? Schmecken wir die
köstliche Verheißung des Brotes, wenn wir den Lebenshunger
spüren, teilen wir das Brot des Lebens und den Kelch des Heils,
Feiern wir die tröstende Gegenwart unseren Herrn Tag für Tag!
Amen