Gnade sei mit
euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus
Christus!
Apostelgeschichte
3, 1 - 10
Petrus aber und Johannes gingen hinauf
in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit.
Und es wurde ein Mann herbeigetragen,
der war gelähmt von Mutterleibe an; den setzte man täglich vor
das Tor des Tempels, das da heißt das Schöne, damit er um
Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. Als er nun
Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen
wollten, bat er um ein Almosen. Petrus aber blickte ihn an
mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Und er sah sie an und
wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. Petrus aber
sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das
gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh
umher! Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn
auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, er sprang
auf, konnte stehen und gehen und ging mit ihnen in den Tempel,
lief und sprang umher und lobte Gott. Und es sah ihn alles Volk
umhergehen und Gott loben. Sie erkannten ihn auch, dass er es war,
der vor dem Schönen Tor des Tempels gesessen und um Almosen
gebettelt hatte; und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie
über das, was ihm widerfahren war.
Liebe Gemeinde,
Stellen Sie mal,
wie es vor der schönen Pforte sein könnte.
Schön schattig
ist es hier: Zur Zeit des Abendopfers im Tempel steht die Sonne
bereits im Westen und der Tempel wirft lange Schatten gen Osten.
Warm und heiß ist es trotzdem. Aber: Was will man mehr.
Wenigstens kein Regen, kein eisiger Ostwind. Etwas über vierzig
Jahre ist er alt (Apg 4, 22), und stiert vor sich hin. Er sitzt
da, weil er selbst nicht hin gehen kann; er ist gelähmt. Er
sitzt da, weil es ihm verwehrt ist durchs Schöne Tor
in den Tempel zu gehen um zu beten. Ganz nah dran, und doch es
ist unendlich weit bis auf die andere Seite. Unerreichbar. Er
weiß: Wer hier durchkommt, durch dieses Tor, will auf die andere
Seite, dahin, wo es schön ist. Wenn die Sonne am Vormittag im
richtigen Winkel steht und auf das große Tor scheint, bekommt
das Tor ein gewisses Leuchten. Da glänzt das aufgetragene
Mineralgemisch, die Gold- und Silberplatten flimmern auf den
beiden Torflügeln, je 25 Meter hoch und 10 Meter breit. Aber
erst muss man durch dieses Tor hineingehen, ehe das wirklich
Schöne, der heilige Bereich im Tempel, betreten werden kann. Der
Tempel, den der König Herodes der Große zu einem Prachtbau
erweitert hat.
Jeden Tag aufs
Neue wird der Gelähmte am Morgen hin getragen und am Abend
abgeholt. Nicht ohne Absicht! Er sammelt tagsüber, nein, er
bittet, nein, noch präziser, er fleht um Almosen, um eine kleine,
winzige Gabe von denen, die froh, munter, gesund und voller
Hoffnung in den Augen durchs Tor schreiten. Sehnsuchtsort Gottes
Haus, dieser Tempel. Endlich da! Und die deswegen vielleicht
etwas mehr Mitgefühl für arme Schlucker haben könnten anstatt
unachtsam weiterzugehen.
II. Ein Ort der
Begegnung.
Dieses Tor ist
immer schon ein Ort der Begegnung gewesen. Weil er dort bald an
die 40 Jahre im Schatten sitzt, weiß der Gelähmte ganz genau:
Wer hier durchkommt, will dahin, wo es schön ist. Jeden Tag aufs
Neue, kommen sie, die Menschen. Von der Arbeit, aus den Häusern
und Wohnungen in der Stadt Jerusalem, zum Beten und Opfern.
Wieder andere haben einen Urlaub und eine Reise nach Jerusalem
gebucht und freuen sich. Reisen und Urlaub bedeutet: Ausspannen,
Berge, eine Städtetour, eine Besichtigung - die Geschmäcker
sind halt verschieden eben, eine Reise nach Jerusalem.
Warum auch nicht.
Jeden Tag aufs
Neue, unzählige Menschen sind es gewesen, die er im Laufe der
langen Jahre dort sitzt. Ungeahnte Begegnungen hat es hier
gegeben. Jede Menge, so, dass einzelne, ganz besondere
Begegnungen an diesem schönen Tor kaum mehr erinnert werden:
Ein junges Paar
mit zwei Turteltauben in einem Käfig und einem neugeborenen Kind
etwas unsicher, ob sie hier wirklich richtig sind
offenbar eben doch nicht aus der Stadt. Ein hochbetagter Priester
eilt herbei, begleitet von einer nicht minder hochbetagten
Prophetin; voller Freude nimmt er das kleine Kind auf den Arm,
tanzt und singt: Herr, ich habe Frieden gefunden, jetzt
kann ich sterben, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen!
(Lk 2,22ff.).
Eine Witwe tastet
sich langsam den Weg mit ihrem Gehstock durch die Schar der
aufgeregten Beter und spendet still und heimlich ihr allerletztes
Geld in einen der dreizehn trompetenartig-geformte Opferstöcke (Mk
12,41-44).
In einer Ecke
haben sich plötzlich aufgebrachte Männer mit Steinen in den
Händen um eine eingeschüchterte Frau aufgebaut, die Männer
haben Böses vor. Aber etwas hält sie davon ab. Es sitzt ein
junger Mann mit besonderer Autorität in der Mitte des Kreises
und schreibt etwas in den Sand (Joh. 8) und sagt: Wer ohne
Sünde ist, werfe den ersten Stein
Das alles spielt
sich ab, draußen vor dem Tor, das man die Schöne Pforte
nennt. So viele, dass einzelne, besondere Begegnungen kaum mehr
erinnert werden. So nah dran, und doch unerreichbar, der Ort, wo
es schön sein muss. Ob es je zu einer besonderen Begegnung für
ihn, den über vierzig-jährigen Gelähmten kommen kann?
III. Die
besondere Begegnung und ihre Folgen
Auch dieser Tag
hatte so begonnen. Jetzt war es 15.00 Uhr, die
Nachmittagsgebetszeit und der Gelähmte raffte sich auf und rief
wie gewohnt: Ein Almosen! - Eine kleine,
winzige Gabe.
Wieder kommen
viele Menschen in den Tempel. Nun auch Petrus und Johannes.
Petrus aber
blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Und er sah
sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge.
Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber
habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh
auf und geh umher!
Wir staunen über
diese besondere Begegnung und das Heilungswunder, wenn es uns
nicht sogar sehr fremd vorkommt. Da sagt Petrus: Gold und
Silber hab ich nicht.... Wir halten kurz inne. Wie? Kein
Geld? Kein bisschen Geld für wohltätige Zwecke? Für die
Diakonie? Das ist doch eigenartig! Es folgt eine Überraschung:
Petrus hat etwas ganz anderes, von ganz anderer Qualität, ganz,
ganz anderer Natur. Im Namen Jesu kann er den Gelähmten am Arm
packen, hochziehen und auf die Füße stellen. Im Namen Jesu
handelt er, weil Jesus auch über seinen Tod und seine
Auferstehung hinaus kraftvoll wirksam ist. Ich denke, das ist das
Besondere an unserem Predigttext. Es ist kein Jesus-Wunder,
sondern geschieht in seinem Namen. Die Geschichte von Jesus ist
mit seinem Tod nicht vorbei, sondern sie geht weiter: Im Namen
Jesu Christi haben die Jünger viele Möglichkeiten, sogar die
Fähigkeit, Menschen zu heilen.
Das Zeichen ist
nicht alles, so erstaunlich das klingt. Schier unbegreiflich ist
diese Heilung für unsere Vernunft. Es lässt sich nicht einfach
erklären. Es lässt sich auch für uns wunder-süchtige Menschen
nicht wiederholen, auch wenn wir es noch so gerne hätten. Auch
wenn die Sehnsucht nach solchen Heilungswundern in unserer Zeit
so groß ist, dass sie nur ansatzweise mit Worten oder in Bildern
beschrieben werden kann. Es lässt sich auch nicht bestreiten,
dass es Wunder gibt. Dieses Wunder, dieses Zeichen weist auf
etwas anderes hin: Diese Sache nämlich, dass die Herrschaft
Gottes und sein Wirken ausgemalt werden. Was wir ein Wunder
nennen, ist ein Hinweis, ein Signal für das eigentliche Wunder
aller Wunder, über das sich nur noch die allerwenigsten Menschen
wirklich wundern. Gott ist da. Gott hat sich nicht zurückgezogen,
hat weder diese Welt noch jede und jeden Einzelnen von uns
vergessen. Gott ist am Werk. Gott wirkt das Wunder. Gott zeigt
dadurch seine Liebe an. Insbesondere in, mit und durch Jesus
Christus.
Mir gefällt die
Reaktion des Geheilten: Endlich darf er durch das schöne Tor. Um
Gott zu loben.Das spielt sich auch schon damals ab, draußen vor
dem Tor, das man die Schöne Pforte nennt. So viele
Begegnungen, dass einzelne, besondere Begegnungen kaum mehr
erinnert werden. So nah dran, und doch unerreichbar, der Ort, wo
es schön sein muss. Gut 40 Jahre. Eine sehr, sehr lange Zeit.
Aber jetzt ist es soweit: Die gewohnte Ordnung verändert sich.
Wer was ist und wohin er darf das ist jetzt komplett
anders. Hier gilt jetzt: Ist jemand in Christus, so ist er
eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist
geworden. (2. Kor 5,17). Der Gelähmte, nein, jetzt muss es
heißen, der ehemals Gelähmte, der jubelt und singt, lacht und
springt, erkundet den ganzen Tempelbereich und kann nicht
aufhören, zu rufen Halleluja! Die schöne Pforte vor
dem Tempel tut sich ihm auf. Er darf eintreten, er wird ins Haus
Gottes eingeführt. Er ist nicht mehr draußen vor dem Tor. Er
ist jetzt am Sehnsuchtsort angekommen: Hier ist Gottes Haus.
VI. Vor Gottes
Angesicht
Hier im Haus
Gottes, werde ich angesehen. Hier im Haus Gottes, wirst Du
angesehen. Hier, vor Gottes Angesicht, hier, in seinem Haus, gilt
diese Ermutigung: Steh auf! Der Blick für Heiliges,
Allerheiligstes wird hier frei. Jesus sagt: Kommt her zu mir,
alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.
Fang neu an mit Gott. Mit Jesus. Heute, wenn Du möchtest. Steh
du auf, aus deinem Alltag, deinen Sorgen und Nöten, steh auf und
lass dir im Haus Gottes zusagen: Gott ist da. Kennt dich. Wirkt
durch Jesus Christus, hier, jetzt und heute. Kennt auch dich und
hat dich lieb! Kennt auch Dich und hat dich lieb!
So spreche ich
Amen, das heißt so soll es sein.
Und der Friede,
der höher ist, als all unser Vernunft, bewahre eure Herzen und
Sinne in Jesus Christus. Amen