14 Liebe Brüder und Schwestern!
Welchen Wert hat es, wenn jemand behauptet, an Christus zu
glauben, aber an seinen Taten ist das nicht zu erkennen? Kann ihn
ein solcher Glaube vor Gottes Urteil retten?15 Stellt euch
vor, in eurer Gemeinde sind einige in Not. Sie haben weder etwas
anzuziehen noch genug zu essen.16 Wenn nun einer von euch zu
ihnen sagt: »Ich wünsche euch alles Gute! Hoffentlich bekommt
ihr warme Kleider und könnt euch satt essen!«, was nützt ihnen
das, wenn ihr ihnen nicht gebt, was sie zum Leben brauchen?17 Genauso
nutzlos ist ein Glaube, der nicht in die Tat umgesetzt wird: Er
ist tot.18 Nun könnte jemand sagen: »Der eine glaubt, und
der andere tut Gutes.« Ihm müsste ich antworten: »Zeig doch
einmal deinen Glauben her, der keine guten Taten hervorbringt!
Meinen Glauben kann ich dir zeigen. Du brauchst dir nur anzusehen,
was ich tue.«19 Du glaubst, dass es nur einen einzigen Gott
gibt? Schön und gut. Aber das glauben sogar die Dämonen
und zittern vor Angst.20 Wann endlich wirst du törichter
Mensch einsehen, dass der Glaube nichts wert ist, wenn wir nicht
auch tun, was Gott von uns will?21 Erinnert euch an Abraham,
unseren Stammvater! Auch er fand vor Gott Anerkennung, weil er
dessen Willen tat: Er legte seinen Sohn Isaak als Opfer auf den
Altar.22 Hier wird ganz deutlich: Bei ihm gehörten Glaube
und Tun zusammen; und erst durch sein Handeln wurde sein Glaube
vollkommen.23 So erfüllte sich die Heilige Schrift, wenn
sie sagt: »Abraham glaubte Gott, und so fand er seine
Anerkennung.«[5] Ja, er wurde sogar »Gottes
Freund«[6] genannt.24 Ihr seht also: Wir
werden nur dann von Gott angenommen, wenn unser Glaube auch Taten
hervorbringt. Der Glaube allein genügt nicht.25 Auch die
Prostituierte Rahab ist ein Beispiel dafür, wie ein Mensch durch
sein Handeln bei Gott Anerkennung findet: Sie versteckte die
Kundschafter der Israeliten bei sich und ermöglichte ihnen auf
einem sicheren Weg die Flucht.[7]26 So wie der
Körper ohne den Geist tot ist, so auch der Glaube ohne Taten.
Dein Wort sei meines Fußes Leuchte und ein
Licht auf unserem Weg. Amen
Liebe
Gemeinde,
vor zwanzig Jahren wurden in Augsburg, in St.
Anna, die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre
unterschrieben. Darin erinnere ich mich gut. In der Erklärung
steht sehr viel mehr, aber der zentrale Punkt lautet so: Wir
bekennen gemeinsam, dass der Mensch im Blick auf sein Heil
völlig auf die rettende Gnade Gottes angewiesen ist. Die
Freiheit, die er gegenüber den Menschen und den Dingen der Welt
besitzt, ist keine Freiheit auf sein Heil hin. Das heißt, als
Sünder steht er unter dem Gericht Gottes und ist unfähig, sich
von sich aus Gott um Rettung zuzuwenden. Rechtfertigung geschieht
allein aus Gnade.
Das klingt so ganz anders als in unserem
Predigttext.
Der Apostel
Paulus scheint diese Frage schnell beantwortet zu haben. Seiner
Ansicht nach ist Christ, wer an Jesus Christus glaubt. Mehrmals
betont er: Keine noch so gute Tat rettet mich, als Christ muss
ich nichts von mir aus tun nur glauben. Ist es also egal,
wie ich als Christ lebe? Jakobus scheint dem vehement zu
widersprechen. Er hält einen Glauben ohne Werke ohne
Regeln, ohne praktische Taten für tot. Also
doch tun und machen, ackern und anstrengen, um errettet zu sein?
Um die Verwirrung perfekt zu machen, bringen beide Abraham als
Beispiel an. Kein Wunder, dass schon Luther seinerzeit daran
verzweifelte, Paulus und Jakobus übereinzubringen. Wer hat nun
Recht? Widerspricht sich die Bibel hier? Was bedeutet Christsein
eigentlich und was hat es mit den guten Taten auf sich? Zeit,
sich die Sache genauer anzusehen.
Die
entscheidenden Aussagen von Paulus lesen wir dazu in Römer
3,21 - 4,1-25. Die zwei Hauptaspekte kommen in den Versen 23-24
und Vers 28 gut zur Geltung:
Denn alle
haben gesündigt, und in ihrem Leben kommt Gottes Herrlichkeit
nicht mehr zum Ausdruck, und dass sie für gerecht erklärt
werden, beruht auf seiner Gnade. Es ist sein freies Geschenk
aufgrund der Erlösung durch Jesus Christus. (Römer 3,23-24) Denn wir gehen davon aus, dass man
aufgrund des Glaubens für gerecht erklärt wird und nicht, weil
man bestimmte Gesetzesvorschriften einhält. (Römer 3,28)
Paulus macht
klar: Jeder Mensch braucht die Vergebung seiner Sünden, da
niemand schuldlos ist. Diese Vergebung bekomme ich aber nicht
dadurch, dass ich das mosaische Gesetz einhalte, sondern nur
deswegen, weil Jesus am Kreuz gestorben ist. Wenn ich das glaube
und für mich an Anspruch nehme, gehöre ich zu Gottes großer
Familie. Allein aus Gnade werde ich errettet und nicht, weil ich
irgendetwas dafür getan hätte. So wie in der
Rechtfertigungslehre, die immerhin nach 2000 Jahren von den
christlichen Kirchen anerkannt wurde.
Paulus schreibt
diese Worte an Judenchristen, also an Menschen, für die das
Halten des Gesetzes ihr tägliches Brot war. Sie kannten es von
klein auf und standen, seit sie die Botschaft von Jesus kannten,
in einer ständigen Spannung zwischen Judentum und Christentum.
Besonders durch die vielen Irrlehrer, die predigten, dass der
Mensch sowohl den Glauben an Jesus als auch das Gesetz braucht,
um in den Himmel zu kommen.1 Diesen Irrlehrern
widerspricht Paulus vehement. Er will deutlich machen: Gottes
Gesetz ist nicht aufgelöst es macht ja nach wie vor Sinn
aber es rettet nicht! Bester Beweis dafür ist Abraham. Er
wurde als gerecht von Gott angesehen, weil er glaubte, nicht weil
er bestimmte Regeln einhielt (Römer 4,3). Schon bevor Jesus da war, wurde der Mensch
also durch Glauben und damit allein durch Gottes Gnade errettet.
Das klingt doch gut. Aber heißt das nicht auch, dass ich nach
meiner Bekehrung eigentlich tun und lassen kann, was ich will?
Ich bin schließlich errettet, oder?
Auf den ersten
Blick scheint Jakobus 2,14-26 genau das Gegenteil zu predigen: Ein
Glaube ohne Werke ist tot (Vers 17). Wenn ich keine guten Taten
vorweisen kann, bin ich auch nicht wirklich gläubig (Verse 18f).
Bester Beweis für Jakobus ist dafür ebenfalls Abraham. Denn er
war bereit, seinen Sohn Isaak zu opfern. Durch diese Tat wurde er
von Gott als gerecht erklärt (Vers 21). Predigt Jakobus also das
Gleiche wie die Irrlehrer, gegen die Paulus angeht? Findet auch
er, dass ich glauben und das Gesetz halten muss, um errettet zu
werden? Wohl kaum. Wie also kann ich Jakobus richtig verstehen?
Jakobus richtet
seinen Brief an eine Gruppe von Menschen, die gar nichts von den
Problemen wusste, die Paulus zu seinem Brief motivierten. Die
Gemeinschaft, an die Jakobus schreibt, hatte ein anderes Problem:
Ihre Worte entsprachen nicht dem, was sie lebten. Sprich: Der
Glaube bestand aus einem Lippenbekenntnis, das im Leben keine
Auswirkungen zeigte. Das hatte wiederum zu Konflikten
untereinander geführt, auf die Jakobus mit seinem Brief reagiert.2 Jakobus
richtet sich an diese Menschen, um ihnen zu sagen: Etwas
lediglich für-wahr-halten, macht keinen Nachfolger Jesu aus. Und
es ist genauso unlogisch, wie einem Hungernden sein Mitleid zu
bekunden, und ihn gleichzeitig im Regen stehen zu lassen:
Angenommen,
ein Bruder oder eine Schwester haben nicht genügend anzuziehen,
und es fehlt ihnen an dem, was sie täglich zum Essen brauchen.
Wenn nun jemand von euch zu ihnen sagt: »Ich wünsche euch alles
Gute! Hoffentlich bekommt ihr warme Kleider und könnt euch satt
essen!«, aber ihr gebt ihnen nicht, was sie zum Leben brauchen
was nützt ihnen das? Genauso ist es mit dem Glauben: Wenn
er keine Taten vorzuweisen hat, ist er tot; er ist tot, weil er
ohne Auswirkungen bleibt. (Jakobus 2,15-17)
Für Jakobus ist
Glaube also viel mehr als bloße Worte. Denn lediglich glauben,
dass Gott existiert, tun auch die Dämonen (Jakobus 2,19). Glaube ist vielmehr eine Beziehung zu Gott,
die mein ganzes Wesen verändert und folglich auch Auswirkungen
hat, die für andere sichtbar sind.
Sieht man genau
hin, widersprechen sich Paulus und Jakobus also nicht. Sie
schauen nur von zwei unterschiedlichen Perspektiven auf ein
Ereignis: die Errettung eines Menschen. Paulus spricht aus einer
Perspektive, in der die Errettung noch in der Zukunft liegt. Er
sagt: Wer in der Zukunft errettet werden will, der muss an Jesus
glauben. Das Gesetz zu halten rettet nicht. Jakobus setzt die
Errettung voraus. Er sieht von der Errettung aus in die Zukunft
und möchte klarmachen: Wer glaubt und errettet ist, kann nicht
mehr derselbe sein. Er ist mit Jesus gestorben und auferstanden
und nun ein neuer Mensch (Römer 6,8-11). Diese Komplettveränderung muss sich auch
nach außen zeigen. Wenn ich aber auf Dauer gar keine
Veränderung in meinem Denken und Handeln feststelle, sollte ich
mich hinterfragen, ob meine Entscheidung für ein Leben mit Gott
echt war oder ob ich vielleicht das falsche Verständnis davon
habe, was Nachfolge eigentlich bedeutet.
Warum
Werke nicht gleich Werke sind
Paulus und
Jakobus sprechen also von zwei unterschiedlichen Dingen. Das, was
den Leser verwirrt, ist dabei vor allem die Wortwahl. Während
Paulus unter Werken Gesetzeswerke versteht, versteht Jakobus
unter dem Begriff Werke die Taten, die aus dem Glauben heraus
folgen. Glaubenswerke und Gesetzeswerke sind jedoch zwei Paar
Schuh. Die Glaubenswerke von Jakobus finden wir bei Paulus als
Frucht des Geistes.3 Diese Früchte
sind zuerst einmal keine gute Taten, vielmehr
Charaktereigenschaften, aus denen gute Taten folgen, wie z. B.:
Liebe, Freundlichkeit, Güte, Treue und Sanftmut (Galater 5,22-25).
Jakobus und
Paulus sind sich also einig: Ein echter Glaube hat Auswirkungen.
Und so lässt sich auch die unterschiedliche Deutung des
Beispiels von Abraham erklären. Abraham wird von Gott als
gerecht angesehen, weil er glaubte. Das möchte Paulus betonen.
Jakobus fokussiert das, was aus diesem Glauben folgt: Abraham war
bereit, seinen Sohn für Gott zu opfern. Diese Bereitschaft
rettete ihn nicht, aber sie war der Beweis dafür, dass sein
Glaube echt war, mehr als bloße Worte. Das bestätigt auch der
Schreiber des Hebräerbriefs, indem er sagt: Durch den
Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land
zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht,
wo er hinkäme. (Hebräer 11,8)
Die Erlösung
geht also immer dem veränderten Leben voraus. Wenn ihr mich
liebt, werdet ihr meine Gebote halten, sagt auch Jesus in Johannes 14,15. Auch hier finden wir die gleiche
Reihenfolge. Erst das Vertrauen und die Liebe zu Jesus, dann
folgen daraus Taten. Diese Werke, die aus der Beziehung zu Gott
resultieren, sind nichts, was ich aus mir heraus tue. Es sind die
Werke, zu denen Gott mich durch den Heiligen Geist befähigt (Hebräer 13,20-21).
Ich bin in einer
Jakobus-Kirche konfirmiert worden und unter den Orgelpfeifen war
ein Spruch aus dem Jakobusbrief graviert: Nun seid aber Täter
des Worts, und nicht Hörer allein. Das wurde auch mein
Konfirmationsspruch. Ich habe ihn mir selber ausgesucht. Weil ich,
wenn ich das Wort Gottes höre, als Konsequenz handeln werde. Da
bin ich ganz bei Jakobus. Wenn Jesus in mein Leben kommt, dann
werde ich jeden Tag neu versuchen nach seinem Willen zu handeln.
Das gelingt gewiß nicht. Aber ich darf bei Jesus jeden Tag neu
anfangen. So feiern wir heute, an diesem Sonntag, ein kleines
Osterfest, weil wir uns am Sonntag daran erinnern, was er für
uns getan hat. Und wir dürfen neu beginnen.
So spreche ich
Amen, So soll es sein.
Und der Friede
Gottes, der so viel größer ist als unsere Vernunft, bewahre
eure Herzen und Sinne. Amen.