Predigt
zu Johannes 3:1-13
Jesus und Nikodemus
1 Es war aber ein Mensch unter den
Pharisäern mit Namen Nikodemus, ein Oberster der Juden.
2 Der kam zu Jesus bei Nacht und
sprach zu ihm: Rabbi, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von
Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es
sei denn Gott mit ihm.
3 Jesus antwortete und sprach zu ihm:
Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von Neuem
geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen. 4 Nikodemus
spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt
ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren
werden? 5 Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir:
Wenn jemand nicht geboren wird aus Wasser und Geist, so kann er
nicht in das Reich Gottes kommen.
6 Was aus dem Fleisch geboren ist,
das ist Fleisch; und was aus dem Geist geboren ist, das ist Geist.
7 Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst
von Neuem geboren werden.
8 Der Wind bläst, wo er will, und
du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt
und wohin er fährt. So ist ein jeder, der aus dem Geist geboren
ist. 9 Nikodemus antwortete und sprach zu ihm: Wie mag das
zugehen? 10 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du bist
Israels Lehrer und weißt das nicht? 11 Wahrlich, wahrlich,
ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir
gesehen haben, und ihr nehmt unser Zeugnis nicht an. 12 Glaubt
ihr nicht, wenn ich euch von irdischen Dingen sage, wie werdet
ihr glauben, wenn ich euch von himmlischen Dingen sage? 13 Und
niemand ist gen Himmel aufgefahren außer dem, der vom Himmel
herabgekommen ist, nämlich der Menschensohn.
Die
Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die
Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen
Liebe
Gemeinde, ist das nicht eine seltsame Unterhaltung, die uns der
Evangelist Johannes überliefert? Und zugleich ist dieses
Gespräch auch etwas Besonderes. Nicht nur im Ergebnis, dass
nämlich eine hochgestellte Persönlichkeit aus den Reihen der
religiös engagierten Pharisäer echtes Interesse an Jesus hat.
Auch nicht nur, dass in der Folge davon dieser Mann ein
heimlicher Anhänger Jesu wird. Das Besondere dieses Gespräches
ist darüber hinaus, dass in Jesu Ausführungen Gott in seiner
dritten Erscheinungsweise im Heiligen Geist wirkmächtig zur
Sprache kommt. Die Dreieinigkeit, die Trinität wird
vervollständigt. Also haben wir eine seltsame Unterhaltung und
zugleich einen passenden Text für den Trinitatissonntag!
Schauen
wir genauer hin: Ein Neugieriger aus den Reihen der Pharisäer
kommt im Schutz der Nacht, um Jesus aufzusuchen: Jesus, was bist
du für einer, von dem wir Pharisäer wissen, dass du ein Lehrer
bist, von Gott gesandt? Jesus antwortet nicht direkt: Ich bin z.B.
der Weg, die Wahrheit und das Leben oder: ich bin die
Tür, das Brot, das Licht des Lebens. Später kommen im
Johannesevangelium solche klaren Ich-bin-Aussagen.
Hier
in der Begegnung mit Nikodemus antwortet Jesus geheimnisvoll,
geradezu kryptisch für Nikodemus. Kein Wunder -, seine
Rückfrage zeigt: nichts verstanden vom Neu-geboren-Werden.
Da
brauchte es in dieser Situation schon das Wehen des Heiligen
Geistes, damit einer versteht, wovon Jesus spricht. Nach
Nikodemus seltsamem Versuch, Jesus zu verstehen - zurück in den
Mutterleib, zudem als alter Mensch und noch einmal das Licht der
Welt erblicken -, wird Jesus schon deutlicher: Wenn nicht
jemand von neuem geboren wird, aus Wasser und Geist, so kann er
nicht in das Reich Gottes kommen. Da liegt der Schlüssel
zum Verständnis: Die Taufe ist es und darin das Wirken des
Heiligen Geistes. Die Trinität nimmt realistische Züge an, und
ihr Zweck, ihre Aufgabe in Bezug auf Menschen, wird von Jesus
benannt.
Das
Reich Gottes sehen können, ja, in das Reich Gottes
hineinzukommen, wird möglich für den Menschen durch seine
Wiedergeburt; von Neuem geboren werden durch Wasser und Heiligen
Geist ist die Tür zum Reich Gottes.
Die
natürliche Fortpflanzung lässt den Menschen das Licht dieser
Welt, wie sie ist, erblicken. Der natürliche Mensch lebt in
dieser Welt nach den Regeln der Welt und wird vielleicht auch alt
dabei wie Nikodemus. Nikodemus lässt sich durch Jesus
verunsichern, lässt es vielleicht sogar zu, dass sein bisheriges
Weltbild Risse bekommt: Denn niemand kann die Zeichen tun,
die du tust, es sei denn Gott ist mit ihm. Das
Gottesverständnis, den Glauben an Gott als Schöpfer und an den,
der mit seinem Volk gezogen ist, ihm den Weg ins Gelobte Land
gewiesen hat -, dieses Gottesverständnis hat Nikodemus mit Jesus
gemeinsam. Aber Jesus ist nun doch ungewöhnlich für Nikodemus.
Und in dieser Begegnung wird dem Nikodemus auch noch durch Jesus
eine nächste Unbekannte vorgestellt: Die Formel des Lebens
scheint noch geheimnisvoller zu werden als sie bisher erscheint:
neu geboren werden durch Wasser und Geist als Schlüssel zu
der Welt, die Jesus das Reich Gottes nennt. Jesu Antwort auf die
Fragen des Nikodemus ist vielleicht ein Versuch, dem neugierigen
Pharisäer ansatzweise die Augen zu öffnen. Das Reich Gottes
sehen, mag heißen: In dieser Welt, wie sie ist, schon die andere
Welt sehen können; also durch alle irdische Wirklichkeit
hindurchsehen. Gottes Wirklichkeit sehen. Und das kann heißen:
Verstehen, was Jesus meint mit seinen Zeichen, die er tut.
Verstehen
im tiefen Sinn könnte heißen: über den irdischen Horizont
hinausschauen können, andere Dimensionen wahrnehmen. Vielleicht
ist es das schemenhafte Erkennen einer Welt, wie Gott will, dass
sie ist.
Das
könnte heißen, dass dieses Reich Gottes schon da ist, nicht
irgendwo in weiter Ferne; nein, mitten in dieser Welt, wie sie
ist, verborgen für Menschen, denen die Augen noch nicht
geöffnet sind dafür. Erst was vom Geist geboren ist, das ist
Geist Erst die Neugeburt macht es möglich, erst die Taufe mit
Wasser und dem Wirken des Heiligen Geistes macht es möglich, die
Augen für das Reich Gottes geöffnet zu bekommen.
Doch
damit nicht genug: Der Wind bläst, wo er will, und du hörst
sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin
er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist
Das
meint, dass jeder Mensch, der aus dem Geist geboren wurde, also
wiedergeboren wurde, noch lange nicht über den Geist verfügen
kann? Ja, der Geist Gottes, die dritte Erscheinungsform Gottes,
bleibt unverfügbar. Das heißt, er muss immer wieder neu erbeten
werden, wie wir es in unseren Gottesdiensten zu Beginn tun:
Komm,
Heiliger Geist, erfüll die Herzen deiner Gläubigen und
entzünde in ihnen das Feuer deiner göttlichen Liebe
Es
reicht also nicht aus, in der Taufe, dem Bach der Wiedergeburt,
von Neuem geboren worden zu sein; es reicht nicht aus dafür, das
Reich Gottes für immer zu sehen. Es muss immer wieder neu
erbeten werden. Und immer in dem Wissen: Der Geist weht, wo er
will. Nicht, wo ich will, nicht, wo wir in unserer
Kirchengemeinde es gerne hätten, dass er kräftig weht.
Eigentlich schade. Wären wir Getauften nicht alle so weit
befähigt zu wissen, wo er, der Geist Gottes, wehen sollte?
Ob
wir das gut heißen oder gerne anders geregelt hätten, spielt
keine Rolle. Das Wehen des Heiligen Geistes bleibt Chefsache. Und,
liebe Gemeinde, das ist gut so. Wir hätten nur einen weiteren
Punkt, um kräftig in Streit miteinander zu geraten. Man stelle
sich vor, wir Christenmenschen, mehr oder weniger vom Geist
Gottes bewegt, sollten entscheiden, wo wir den Heiligen Geist am
besten einsetzen wollen! Dass der Geist Gottes weht, wo er will,
ist für uns eine große Entlastung. Leistungs- und Erfolgsdenken
gehören hier nicht hin, also auch kein Leistungsbeten, auch
nicht der Stolz derer, die meinen, sie wären geistbegabter als
jene, die sich nicht berufen fühlen, in Zungen zu reden.
Woher
er kommt, und wohin er fährt, das weißt du Mensch nicht. Wir
bleiben als Schwestern und Brüder in christlicher Gemeinde
Bittende in aller Demut vor unserem Gott.
Diese
Demut verbindet uns mit allen Menschen, die guten Willens sind,
mit Menschen aus allen Regionen und Weltanschauungen, die ein
gutes Leben in Frieden leben wollen. Und wir alle müssen es
aushalten, dass alle Erkenntnis und aller Einsatz für das Reich
Gottes bruchstückhaft bleiben. Und wir halten es aus. Als
Christen, als in der Taufe Wiedergeborene, halten wir es aus,
weil Gott als Heiliger Geist uns tröstet und stärkt und uns
selber beschützt mit dem Geist der Kraft, der Liebe und der
Besonnenheit (2.Tim 1,7). Amen.