Jesaja 60, 1 – 6

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen.

 

Zions zukünftige Herrlichkeit

1 Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! 2 Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. 3 Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. 4 Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arme hergetragen werden. 5 Dann wirst du deine Lust sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt.

6 Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen.

 

Liebe Gemeinde

Nocheinmal tönt es in den Höhen und Tiefen, tönt aus allen Registern und mit allen Stimmen. Den Hymnus aus dem Propheten Jesaja kann man sich voller Musik vorstellen, mit Chor und Orchester vielleicht, vielleicht nicht nur mit großer Besetzung, vielleicht mit einer Stimme nur ohne Begleitung, intim und zart. Ist der Predigttext ein Textbuch für ein Oratorium, ist es eine Textvorlage für ein heimliches Preislied? Gesungen wird in prophetischer Vorwegnahme, gesungen wird aus Liebe, aus Liebe zur Stadt Jerusalem, aus Liebe zur gefallenen Tochter Jerusalem, aus Liebe zur in Schutt darniederliegenden Stadt, besungen wird der neu über ihr aufstrahlende Glanz. Ein letztes Mal und dieses letzte Mal mit vollem Jubelklang beschließt die christliche Kirche weltweit die erste ihrer großen Festzeiten im Jahr. Die Festzeit endet, wie sie begonnen hat, wie sie der Jubel durchzogen hat. Mit

»Hosianna dem Sohn Davids, gelobt sei, der da kommt, im Namen des Herrn, Hosianna in der Höhe.« hat der Jubel zum ersten Ersten Advent eingesetzt, mit

»Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.«

hat der Lobgesang in der Christnacht seine Mitte. Und mit einem Hymnus endet die Festzeit heute am Tag der Heiligen drei Könige, welches zugleich Epiphanias ist, das Erscheinungsfest, das Fest der Erscheinung der Herrlichkeit des Herrn vor den Leuten:

Auf, werde licht; dein Licht ist gekommen, aufstrahlt die Herrlichkeit des Herrn über dir. Sieh, Finsternis deckt die Erde, Dunkel liegt über den Völkern. Über dir aber wird der Herr aufstrahlen seine Herrlichkeit erscheinen über dir. Völker werden zum Licht über dir kommen,
Könige zum Glanz um dich.

Nun, morgen, morgen erst, morgen schon nach den Wochen und Feiertagen mit ihren Gesängen, Hymnen und Lobpreisungen beginnt wieder die Prosa des Lebens.

Epiphanias, die Erscheinung der Herrlichkeit des Herrn, Epiphanias ist der letzte der Festtage. In Süddeutschland werden zum letzten Mal die Lichter der Christbaum ange­zündet. Die städtische Müllabfuhr weiß das nicht, sie entsorgt das Tannengrün schon seit dem 2. Januar und hat inzwischen die Schilder für die Christbaumsammelplät­ze entfernt. Morgen erst werden die mittlerweile dürren und nadelnden Gerippe sich genau dort erneut angehäuft stapeln. Die städtischen Aufräumfahrzeuge müssen wie jedes Jahr auch diesjahr wieder nocheinmal ausrücken. Aber das wird morgen und übermorgen sein, wenn dann wirklich die Prosa des Alltags eingekehrt sein wird, das süße weiche Gebäck vom Tisch verschwunden sein wird und das harte dunkle Brot wieder kräftigt und stärkt. Was bleibt von dem Versprechen der Lichter am Christbaum? Das Versprechen, daß es licht werde, wie am ersten Tag der Schöpfung, neu und rein, das erfüllt nun der Weltlauf, Weltumlauf wie von selbst: Die Tage werden länger, immer merklicher und rascher, es wird lichter um uns, morgens leuchtet es schon früher, abends länger und länger. Doch das ist ja nun etwas anderes als dies, daß es licht werde über Jerusalem, das ist etwas anderes als das Licht, das von der Christnacht aufgeht und das wir in unseren Häusern am Baum haben nachleuchten lassen. Gewiß! Aber wann anders im Jahr sollte man das Christfest feiern als nahe der tiefsten Nacht des Jahres? Warum sollte die Prosa des Alltags uns nicht an das Lichtwerden, das Eingehen des ewigen Lichts in unsere Welt erinnern, Tag für Tag mehr und sichtbarer. Heute, am 6. Januar, feiert die Kirche also die herrliche Erscheinung des Herrn, das Aufgehen des Lichts vor aller Welt. Wir begehen im Gottesdienst diesen Tag mit einem prophetischen Hymnus, dem Gesang auf Jerusalem.

Ein wenig prunkvoll tönt es schon, wenn Händel singen läßt »Tochter Zion, freue dich.« Das klingt so einfach gemacht, und ist gleichwohl in seinem rhythmischen und melodischen Wechsel und Wiederholen raffiniert gebaut. Wie auch immer, es wäre eine mögliche Melodie zu unserem Text. Doch wie wäre es, wenn wir zu dieser Melodie von Händel einen Text finden sollten? Wen wollten wir besingen, weil ein Licht über ihm erstrahlt, eine Hoffnung sich ihm erfüllt, ein Höhepunkt des Lebens ihn erhebt?

Sind es die Schulanfänger, die endlich ihr Köpfchen gebrauchen können, ist es der Meister, der seinen Meisterbrief aufhängt, ist es die Braut neben ihrem frischangetrau­ten Ehemann, sind es Abiturienten beim Verteilen der Zeugnisse, ist es der Jubilar, der auf ein Leben zurückblickt, die glücklichen Eltern neben ihrem ersten Kind? Ist es das Kind, das die ersten Schritte tut, selbstsicher und wackelig, dem mit seinem ersten Wort die Welt aufgeht und zu Füßen liegt?

Wo immer wir gratulieren oder bewundern, könnten wir einen Hymnus singen oder dichten, einen zarten und intimen, einen mit vielstimmigem Chor und tönenden In­strumenten.

In allen diesen Höhepunkten des Lebens ist Erfüllung von angezielten Erwartungen oder gar Mühen. Erfüllung ist immer mehr, als zu hoffen war, es ist Glück und Seligkeit und Abglanz einer Güte, die reich und überreich belohnt. Das ist ein Glanz, der über Menschen aufgeht, Abglanz des ersten Tags der Schöp­fung und seines reinen Lichtes über uns.

Liebe Gemeinde, Die christliche Kirche nun gedenkt mit dem Tag der Erscheinung der Herrlichkeit des Herrn zugleich der Heiligen drei Könige oder Weisen aus dem Morgenland, welche mit ihren Gaben zum Christuskind kommen. Die Heiligen drei Könige kommen aus dem Morgenland nach Bethlehem, sie folgen dem hellen Stern und seinem Leuchten; und sie kommen geradewegs aus dem Hymnus des Propheten. An seinem Ende heißt es:

Scharen von Kamelen werden dich überdecken, Lasttiere von Midian und Epha. Von Saba kommen sie alle. Gold und Weihrauch tragen sie, Lobpreis für den Herrn verkünden sie.

In manchen Ländern ist passend dazu der 6. Januar der Tag, an welchem die Kinder beschert werden. Was ist eine Bescherung von Kindern denn anderes als ein Lobpreis des Glanzes um das Kind, was anderes als Anerkennung der Herrlichkeit, die um es ist?

Die Heiligen drei Könige waren mit ihren Gaben etwas konservativer. Sie schenkten dem Kind wertbeständig: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Wir fragen: Erstens, haben sie dem Kind wirklich ein Geschenk gebracht, wie man zur Taufe einst ein Silberbesteck oder einen Silberbecher geschenkt hat? Zweitens, haben sie dem Kind gehuldigt wie man mit einem Festgedicht einer Braut, einem Jubilar, einem huldigt, der an einem Höhepunkt seines Lebens steht, weil ein Glanz über ihnen steht, weil über ihnen Glück aufstrahlt?

 

 Es sind sprechende Gaben. Sie wollen reden, davon reden, daß den Dreien das Herz übergeht, weil sie reich beschenkt sind, daß ihnen wohl ist, weil sie keine größere Seligkeit kennen, als ihnen heute vor Augen steht. Den Richter der Welt, die göttliche Majestät, den Schöpfer aller Dinge sehen wir in einem neugeborenen Kind, würden sie sagen hören, etwas von Wunder-Rat, Ewig­Vater, Friede-Fürst, würden sie sagen, wenn sie ein wenig in den Schriften der jüdischen Propheten gelesen hätten. – Den, der alles erhält und ernährt, sehen wir an der Brust einer jungen Frau, würden wir sie sagen hören; der die Mächte in der Welt kommen und gehen sieht, sehen wir als wehrloses und der Verfolgung ausgesetztes Kind, würden wir sie sagen hören, den ewigreichen, heilig-reinen Gott sehen wir als Wickelkind, würden sie sagen, wenn sie schon einige christliche Predigten gelesen hätten. – Das Unbedingte und Absolute, das ewig Eine und Unergründliche, die höchste Weisheit und reinste Macht sehen sie als Menschen sich gänzlich in einem Individuum ausschütten und als Konkretion eingehen in den neugeborenen Zimmermannssohn, würden sie sagen, wenn sie sich etwas philosophisch ausdrücken wollten.

Wußten die drei heidnischen Könige, was sie sahen? Wissen wir, was wir sagen, wenn wir uns hinter sie stellen, während sie Gold und Weihrauch und Myrrhe darbrin­gen und für ihre Seligkeit sprechen lassen, weil sie gesehen haben, daß der Lauf von Himmelsfernen und Sternenbahnen, von Geschichte und irdischen Gewalten in einem Menschen Sinn und Namen, Anschauung und Erfüllung findet?

Liebe Gemeinde, Was tun wir, wenn wir von Advent bis Epiphanias Christi Geburt erst erwarten, dann feiern, schließlich uns ins gewohnte Leben zurückwenden wie die drei Weisen aus dem Morgenland, die in Bethlehem angebetet haben und wieder in ihr fernes Morgenland gegangen sind? Es ist, als ob wir ein Buch zumachten. Die ersten Texte und die Bilder dazu waren der Einzug Christi in Jerusalem auf dem königlichen Reittier, dem Esel, es folgten die Seiten mit der Geburt Christi in Bethlehem, die Seiten mit der Krippe im Stall, mit den Hirten auf dem Feld, und nun zum Schluß lesen wir von den Heiligen drei Königen, den Weisen aus dem Morgenland, bedenken nach Jesaja die Prophezeiung auf sie hin und ihre Erfüllung in Bethlehem. Die Bilder von Advent bis Epiphanias können wir uns am schönsten vorstellen, als ob sie auf Goldgrund gemalt wären, so leuchtend tritt das alles hervor und so beseligend ist es, daß wir fast auf uns beziehen wollen, was von Jerusalem, dem Christkind und den Heiligen drei Königen gesagt ist:

Laß deine Augen ringsum schweifen und siehe sich alle versammeln und zu dir kommen. Deine Söhne kommen von ferne, deine Töchter sanft getragen. Dann wirst du sehen und leuchten,
dein Herz wird erzittern und sich weiten, wenn sich dir die Schätze des Meeres zuwenden,
das Vermögen der Völker zu dir kommt.

Was kommt auf uns zu, wenn solches auf uns zukommt, sofern an uns wahr wird, was in dem Kind in der Krippe wahr geworden ist, indem wir unser Leben als sprechende Gabe von dem Kind her empfangen? Es wird Leben und Seligkeit sein. Es ist ein wärmendes Licht, kein blendender Glanz, was uns aus dem Goldgrund heraus angestrahlt hat. Nehmen wir es hinein, in die von Tag zu Tag lichter werdende Zeit, nehmen wir es hinein als Licht vom unvergänglichen Licht in diesem Hellerwerden der Tage. Lassen wir die kommenden Tage und Wochen den Abglanz davon werden!

Mache dich auf, und werde licht. Wie mache ich das? Licht werden? Ich kenne einen lichten Wald, in dem nicht viele Bäume stehen. Die Sonne wird nicht verschluckt, sondern scheint durch die Äste und Zweige. Vielleicht will Gott, dass wir transparent werden. Dass man durch uns die Liebe Jesu scheinen sehen kann. Wie ein Laterne, die das Licht des Dochtes schützt.

Als ein Gefäß für Licht. So stelle ich mir das vor, dass so die Herrlichkeit Gottes unter uns Menschen sichtbar und merkbar wird. Lasst uns licht für das Licht der Welt.

 

So spreche ich Amen – So soll es sein

 

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, regiere unsere Herzen, in Jesu Christus      Amen