Jesaja 55, 6 -12
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen! Amen.
Liebe Gemeinde!
Vor mehr als 30 Jahren, in Rumänien: Es war März, nachts noch
kalt. Abends stellten sich die Menschen vor den Milchläden auf
und schliefen dort nachts im Freien, um sich morgens einen Liter
Milch zu ergattern. Brot war meist nach einer guten Stunde
ausverkauft. Von Käse oder Wurst, von Butter oder Fleisch
erzählte man sich wie in alten Geschichten von Zauberern oder
Goldschätzen. Was aber funktionierte, war das Kino. Es
lief ein amerikanischer Film, eine Komödie. Die Leute sahen zu,
lachten ab und zu. Man freute sich an den bunten Farben und am
Blick in die weite Welt. Solange ging es gut, bis die beiden
Hauptpersonen des Filmes beschlossen, essen zu gehen. Sie
wählten ein Restaurant, in dem man von einem großen Büffet
wählen konnte.
Langsam schwenkt die Kamera auf das Büffet zu. Als erstes kommt
eine Ananas in Blick. Leichte Unruhe. Die Kamera schwenkt über
eine Käseplatte, dann über Fleisch. Einzelne Rufe im Dunkeln
des Kinos. Kaviar kommt in den Blick, Oliven und geräucherter
Schinken, Orangen. Aus dem Publikum kommen Schmerzensschreie und
lautes Stöhnen... Endlich erlöst der Regisseur das Publikum und
zeigt wieder das gelangweilte Gesicht des Hauptdarstellers.
So müsste es sein meint der Prophet Jesaja wenn
wir Gottes Wort hören. Soviel Leidenschaft und Sehnsucht. Soviel
geistlicher Hunger. Soviel tiefes Verlangen nach Gottes Worten.
Der Prophet Jesaja sagt uns ein Wort Gottes, das seit 2500 Jahren
verspricht, Hungrige satt zu machen.
Ich lese aus Jesaja, Kapitel 55:
Suchet den Herrn, solange er zu finden ist; rufet ihn an,
solange er nahe ist. Der Gottlose lasse von seinem Wege und der
Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zum Herrn, so
wird er sich seiner erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei ihm
ist viel Vergebung. Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,
und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr,
sondern soviel der Himmel höher ist als die Erde, so sind
auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure
Gedanken. Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt
und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde
und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen,
zu säen, und Brot, zu essen, so soll das Wort, das aus meinem
Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir
zurückkommen,
sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen,
wozu ich es sende. Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im
Frieden geleitet werden.
Den Propheten muss ich einfach bewundern für sein Bild. Regen
fällt in dünnen Fäden, und Schnee schwebt fast schwerelos auf
die Erde hinab. Wer nicht mit und in der Natur lebt, ahnt kaum
die Bedeutung und sieht das Wunder nicht. Leichter Regen
fällt, und der Boden, auf den Schnee und Regen fallen, wird
immer schwerer, saugt sich voll. Gehen Sie heute Nachmittag
mal über eine Wiese dann wissen Sie, was ich meine! Und
am Ende gibt der Boden wieder etwas ab: feste Körner, die
gemahlen werden und zu Brot verarbeitet. Leben für ganze Völker.
Dann sieht man das unerquickliche Wetter dieser Winterwochen
vielleicht in einem anderen Licht. Das ist ein Wunder: die
unspektakuläre Geschichte einer großen Veränderung. Wo das
Leichte plötzlich Gewicht hat, wo aus dem Nichts das Leben kommt.
Den Propheten muss ich einfach bewundern für sein Bild. Weil
er mit diesen Bild etwas Doppeltes sagt:
Zunächst erzählt er von Dingen, die für die Menschen seiner
Zeit sehr wichtig sind. Damals, ohne Zentralheizung und
elektrischen Strom, da waren Winter und Dunkel eine ernste und
echte Bedrohung. So lebt ein ganzes Volk im Dunkel und wartet
darauf, dass die Sonne wieder höher und heller am Himmel steht. Die
Vorräte gehen langsam zu Ende. Auch die Geduld.
Das alles ist nur zu ertragen, wenn in den Dingen ein tiefer Sinn
verborgen ist, nämlich dass das Leben nach dem Dunkel und dem
Regen weitergehen wird. Man muss ein bisschen Philosoph sein
oder eben Bauer um zu verstehen, wie aus dem
leichten Regen des Winters die schwere Frucht des Sommers und
Herbstes werden kann. Es ist und bleibt ein Wunder.
Zugleich zum zweiten sozusagen nimmt uns der
Prophet, während er von der Natur redet, mit auf eine Reise in
unser Inneres. Sind wir nicht manchmal wie so ein Boden am Ende
des Sommers ausgelaugt und ausgetrocknet? Warten wir
nicht auch manchmal darauf, dass alles Gute von oben kommt? Erhoffen
wir nicht auch manchmal, dass wir eine schwere Ernte ein-bringen
können? Erhoffen wir nicht auch das Wunder in unserem
Leben, dass das Leichte gewichtig und das Schwere leicht
wird? Leichter Regen und schwereloser Schnee fällt so
erzählt der Prophet, und er macht sich auf die Spur des Wunders,
das so viele erhoffen und manche zum Überleben brauchen. Wunder
kann man nicht erklären. Man kann ihnen nur nachgehen
langsam, Schritt für Schritt. Da hilft uns der
Prophet und malt uns Regen und Schnee vor Augen. Mit seinen
Worten fällt auf uns der leichte Regen der Gnade Gottes.
Da geschieht etwas, und wir können kaum erahnen, welch ungeheure
Bedeutung es hat.
Da ist ein Gedanke in unserem Herzen, der wenn wir ihn
verfolgen und in die Tat umsetzen große und gute Folgen
haben kann. So ist es mit Gott und mit seinem Wort. Jesus
hat gesagt: Das Wort Gottes ist wie ein Samenkorn. Es ist
verletzlich, den Gefahren preisgegeben.
Denn die Sache mit Gott ist immer angewiesen auch auf die Herzen.
Herzen, die offen sein können oder verschlossen oder voller
Wider-stand. Immer in der Gefahr, überhört und abgewiesen zu
werden so kommt Gottes Wort. Lange hat man sich Gott
vorgestellt wie einen Feldherrn, dessen Wort wie ein Donnerhall
alles niederstößt. Doch inzwischen wissen wir um sein langsames
und geduldiges Werben um uns Menschen. Manchmal möchten wir an
seiner Güte und seiner Sanftheit schier verzweifeln. Denn da
fällt auf uns nur der leichte Regen der Gnade Gottes, und
wir brauchen schon eine Menge Lebenserfahrung, viel Glaube, viel
Hoffnung und noch mehr Liebe, um darin schon den Anfang zu sehen
von Gottes großer Hilfe. Um darin schon den An-fang der Frucht
zu erkennen, die am Ende daraus wachsen wird!
Und dann ist der Regen gefallen, und der Prophet erzählt vom
Wachsen und vom Reifen. Und er meint damit die Wartezeiten, die
schwierigen Wartezeiten, die uns so auf die Probe stellen können.
Die Zeiten, in denen unser Land brach liegt und nichts geschieht.
Der Prophet erzählt von der Zeit, in der wir zwar hören, aber
noch nicht verstehen. Er erzählt von der Zeit, wenn der Wunsch
da ist, aber noch nicht die Erfüllung. Er erzählt von der Zeit,
wo wir sehr wenig Zufriedenheit haben und viel mehr Geduld
bräuchten. Das Wachsen braucht seine Zeit; nur selten ist
es so, dass sich die Dinge mit einem Schlag verändern. Gott hat
andere Zeiten und Vorstellungen, als wir an ihn herantragen.
Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege
sind nicht meine Wege,
spricht der Herr, sondern so viel der Himmel höher ist als
die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und
meine Gedanken als eure Gedanken.
Und das müssen wir wohl akzeptieren und sollten es auch.
Wir nehmen Gott nichts von seiner Größe und Herrlichkeit, wenn
wir ihn staunend dort entdecken, wo wir Geduld brauchen und dabei
warten und vielleicht auch leiden.
Mein Wort wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern
wird tun, was mir gefällt,
und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. Denn ihr sollt in
Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Gottes Wort
kommt und arbeitet bei uns. So erklärt es der Prophet mit
großer Sachlichkeit und Nüchternheit. Wenn Gott handelt, dann
geht es nicht um überirdische oder über-sinnliche Phänomene. "Es
wächst hier, es lebt hier" sagt der Prophet im Auftrag
Gottes.
"Es wächst hier" sagt der Prophet und spricht von uns
allen. "Es wächst hier", sagt der Prophet.
Denken Sie an die große Kraft der helfenden und tröstenden
Worte, die sich Menschen geben können. "Es wächst
hier" sagt der Prophet. Schauen Sie im Geist in die
Gesichter vieler Menschen, die Ihnen im Lauf der Woche begegnen.
Viele beten und suchen nach Sinn, fast alle meistern ihr Leben
manchmal mit bewundernswerter Kraft. Und viele tun
nebenbei auch noch etwas für ihre Nächsten. Manche schauen
genau auf die Probleme der weiten Welt und sorgen sich um die
vergessenen Menschen. "Es wächst hier" sagt der
Prophet.
Da sind die vielen Menschen in unserer Gemeinde, die hinter den
Kulissen arbeiten, stundenlang, die Gottesdienste planen und
vorbereiten, die Tische decken und die Küche putzen, die Lieder
proben und Finanzentscheidungen treffen, die Kindern Geschichten
erzählen und Kranke besuchen und Fahrdienste übernehmen. Wie
viele ungezählte Stunden waren das allein vergangene Woche!
Menschen, die sich Gottes Sache zum LebensAnliegen gemacht
haben. Und dann müssen wir gar nicht mehr groß zum Himmel
schauen, bei so vielen Leuten, die um uns herum sind. Bei
so vielen Möglichkeiten und liebevollem Einsatz.
"Es wächst hier". Regen fällt und leichter Schnee,
Boden wird schwer und bringt Frucht.
Dass wir so ein Wunder mitten im Leben erfahren
können, das ist schon erstaunlich. Manchmal ist uns Gott näher,
als wir gerade noch dachten. Ganz sachlich und geradezu nüchtern
führt uns der Prophet hin zu den großen Wahrheiten und Wundern
Gottes.
Der seit Jahrtausenden Menschen in seinen Dienst ruft.
Und das Wunder geschieht: Durch den Lauf der Geschichte hindurch
und über den ganzen Erdball verbreitet lassen Menschen sich von
ihm immer wieder begeistern.
Am Anfang war das Wort, am Ende ist das Wort. Und wir mittendrin.
Ein kleiner Rest vom Geheimnis Gottes aber bleibt noch verhüllt.
Wir können alles erklären, sagt ein Physiker. Aber den
Sinn und warum das so ist das können wir nicht so einfach
erforschen.
Die Antwort auf diese Fragen, die würde wohl unseren Hunger und
unsere Fragen nicht zeitlich, sondern auf ewig stillen. Doch für
die Zeit, in der wir leben, wollen wir vertrauen auf das, was uns
der Prophet sagt: Wir haben einen Gott, der mit uns geht, der uns
sucht und uns verspricht: Ihr sollt in Freuden ausziehen
und im Frieden geleitet werden.
Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft,
regiere unsere Herzen, in Jesu Christus
Amen