Matthäus 6,(5-6)7-13(14-15): Das Vaterunser
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen! Amen.
5 Und wenn ihr
betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den
Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie
von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben
ihren Lohn schon gehabt. 6 Wenn du aber
betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und
bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der
in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten. 7 Und wenn ihr
betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie
meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. 8 Darum sollt ihr
ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft,
bevor ihr ihn bittet. 9 Darum sollt ihr
so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt.
10 Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. 11 Unser tägliches
Brot gib uns heute. 12 Und vergib uns
unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. 13 Und führe uns
nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn
dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen
Liebe Gemeinde!
Wie oft haben Sie in Ihrem Leben schon das
Vaterunser gebetet? Ich vermute, das ist nicht zu zählen. Es ist
neben dem Glaubensbekenntnis das Gebet, das wir alle kennen und
können, wenn wir getauft und konfirmiert sind. Das Vaterunser
ist eines der Gebete, das man von Anfang an mit den Kindern oder
Enkelkindern beten kann. Selbst wenn man gewohnt ist, frei
formulierte Gebete zu sprechen, ist es hilfreich, dieses Gebet zu
haben, dessen Worte man einfach aufnehmen kann. Das hat nichts
mit der Plapperei zu tun, die Jesus anspricht. Die
Worte entspringen ja unserem Herzen und richten sich an Gott als
Gegenüber. Jesus bezog die Plapperei auf jene, die
vor allem Lust an ihren eigenen Worten haben und sich gar nicht
innerlich an Gott wenden.
Wir aber wenden uns an ihn ganz
einfach. Wir sagen Gott unsere Bitten und Nöte, unser Lob und
unseren Dank. Im Gebet lassen wir uns auf Gott ein. Weil wir Gott
Vater nennen dürfen, bekommt unser Leben eine neue
Grundlage. Das fügt die Jünger und uns Christen zu einer
Gemeinschaft zusammen, die zu Gott Abba, Papa sagen
dürfen; zu einer Gemeinschaft von besonders Begnadeten und
Geforderten. Das ist also nicht bloß eine intime,
verschwiegene Zweier-Beziehung. Jesus lehrte uns ja nicht Mein
Vater zu beten, sondern Vater unser. Mein Vater
ist auch euer Vater, meint er damit. Er ist unser Vater, der
alles geschaffen hat, die Erde, die Tiere und die Menschen. Und
wie ein Menschen-Vater seine Kinder als Geschwisterschar
zusammenhält und doch jedes Einzelne mit seinen Eigenheiten
kennt, so auch Gott. Als Gemeinschaft der Glaubenden preisen wir
Gott und erzählen von ihm auch durch das, was wir tun. Als
Glaubende richten wir uns nach seinen Geboten und seinem Willen
und wir ersehnen, dass in seinem Namen das Gute in die Welt kommt.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe. Als Glaubende
stärken wir einander und lassen uns nicht irre machen in unserem
Glauben. Wir nehmen unser Leben aus Gottes Hand. Als Glaubende
leben wir als Gemeinschaft Jesu Christi. Zum gemeinsamen Leben
und Glauben gehört das Bekennen und unweigerlich das Vergeben.
Im Gottesdienst bitten wir Gott in der Gemeinschaft darum, uns
unsere Sünden zu vergeben. Das brauchen wir, um mit ihm und mit
uns selbst ins Reine zu kommen. Auch als unvollkommene, fehlbare
Menschen dürfen wir vor ihn kommen.
Denn Jesus lehrt uns im Heiligen Geist eben
nicht Großer Herrscher, Gerechter Richter,
Allgewaltiger König zu sagen, sondern Vater
unser. Dieser Vater ist allerdings auch groß, gerecht und
gewaltig, aber in erster Linie liebt er uns eben und erbarmt sich
über uns.
Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir
vergeben unseren Schuldigern. Bei dieser Bitte geht es
nicht nur um die eigene Vergebung. Es geht gerade auch um das
Miteinander in der Gemeinschaft, in der Wohn-Gemeinschaft, im
Gemeindeleben, aber auch in der Familie, unter Nachbarn, Freunden,
überall dort, wo Menschen miteinander leben.
Wo etwas zwischen uns steht, kann man nicht
befreit leben. Da kann sich keine Liebe entfalten. Darum brauchen
wir es, einander immer wieder zu vergeben. So schwer es uns
vielleicht fällt.
Jeder erkennt im Lauf des Lebens, wie
wichtig Vergeben ist. Je älter man wird, desto mehr drängt es
einen danach, mit den Anderen, mit sich, mit Gott versöhnt zu
sein. Dem Versöhnen muss die Vergebung vorausgehen. So kann man
das Vergebene in die eigene Lebensgeschichte mit hineinnehmen.
Man muss nicht mehr krampfhaft wegsehen oder unter den Teppich
kehren.
Aus der Vergebung kann Neues erwachsen. Wo
wir erleben, wie heilsam Vergebung wirken kann zwischen uns
Menschen, erahnen wir, wie heilsam jene Vergebung ist, die wir
von Gott zugesprochen bekommen um Jesu willen.
Jesus macht im Vaterunser ganz klar: Beides
gehört zusammen. Wenn ich beleidigt bin, kann ich mir Kraft zum
Vergeben holen aus der Vergebung Gottes. Und wenn ich an Gottes
Vergebung wirklich glaube, dann will sie sich durch mich
fortpflanzen und überfließen und die Menschen erreichen, die
mit mir leben: allen voran meine Schuldiger.
Das alles passiert nicht automatisch. Wir
können den göttlichen Fluss der Vergebung schon eindämmen.
Darum schließt Jesus ja gleich an: Und führe uns nicht in
Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen damit
wir im Raum der Versöhnung bleiben und Gottes Reich mitten unter
uns wachsen und blühen kann.
Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist
als alle Vernunft, regiere unsere Herzen, in Jesu Christus
Amen