Markus 16 , 1 - 8

 

1 Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.

Schlafen kann keine von ihnen, seit dem grässlichen Freitag. Irgendetwas mussten sie tun. Früher hätten sie ihm etwas Leckeres hingestellt, Sesampaste oder Schafsmilch, oder ihm einfach ein weiches Kissen hingelegt, damit er sich einmal ausruht. Aber Essen geht nicht mehr und Ruhe hat er nun mehr als genug. Also: Salben. Es war Sa       lomes Idee: das beste Öl kaufen und seinen toten Körper salben. Vielleicht würde das sogar ihnen selber ein klein wenig helfen. Um zu verstehen, dass er wirklich tot ist. Nach allem, was er ihnen vom Leben erzählt hat. Er. Wirklich tot.

2 Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging.

3 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?

Die Männer sollten lieber zu Hause bleiben. Salben war nichts für sie. Nur das mit dem Stein hatten die Frauen vergessen. Natürlich ein großer Stein, sonst könnte ja jeder in die Höhle. Sie hatten ja gesehen, wie er davor gerollt wurde. Vier Männer hatten das gemacht und die hatten schon ziemlich geächzt. Zur Not müssten sie ihre Leute doch wecken.

4 Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.

Sie kamen zum Grab hin und der Stein war weg. Angst. Schon. wieder diese Angst. Seit Tagen nur Angst. Hatte ihn jemand gestohlen? Konnten die ihn nicht einmal als Leichnam in Ruhe lassen? Gehörte er ihnen nicht einmal mehr als Toter?

5 Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich.

6 Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.

7 Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Was für ein eigenartig schöner Mensch ist das da am Grab! Lange, schmalen Hände und dieses ganz weiße Gewand, völlig sauber. Wie er wohl den Stein zur Seite geschoben hat, ohne sich weh zu tun, ohne sich schmutzig zu machen? Die Leiche ist weg. Der junge Mann muss Jesus gekannt haben. Er erzählt von ihm. Er weiß offenbar, wo er ist. Vorausgegangen nach Galiläa? Er ist doch tot. Hat jemand seine Leiche dahin geschafft, damit er am See in eine Grabhöhle kommt? Und warum wussten Petrus und die anderen nichts davon? Sie haben schon wieder Angst.
Angst, mit Petrus zu reden. Der war so streng und so traurig. Sie haben Angst, etwas falsch zu machen. Und wohin jetzt mit dem edlen Öl?

8 Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich. Die meisten Menschen haben Angst vor dem Tod. Sie und Sie und ich auch. Und das an Ostern. Markus berichtet von den Frauen am Grab, die Angst haben. Und ihre Angst ist stark. Sie erzählen nichts weiter, steht da – was natürlich nicht stimmt. Sie müssen es weitererzählt haben, sonst wäre die Geschichte ja zu Ende. Spätere Erzähler haben einen zweiten Schluss an das Evangelium gehängt. Da trifft Maria von Magdala Jesus ganz allein. Sie erzählt es allen weiter. Matthäus, Lukas und Johannes schmücken die Geschichten viel plastischer aus – da treffen die Frauen Jesus selbst. Sie verwechseln ihn mit dem Gärtner. Sie wollen ihn berühren. Sie sind ängstlich, aber werden die Angst auch wieder los. Bei Markus nicht. Bei Markus ist die Angst das Wichtigste.
Obwohl sie sich doch freuen sollten. Jesus war tot und lebt. Jesus ist auferstanden. Halleluja!

 

 

Ich habe heute eine Mutmach-Geschichte für Sie dabei. Sie beginnt traurig, macht Ensetzen und hat am Ende viel Hoffnung.

Früher war Iwan Mathelehrer. Aber das ist lange her. Die Kinder seiner letzten Schüler haben jetzt schon selber Kinder. Nicht dass er noch mit irgendeinem von ihnen zu tun hätte. Sie würden ihn gar nicht erkennen. Iwan, der Mathelehrer, trug eine Hose mit Gürtel und zwei
karierte Hemden immer abwechselnd. Iwan, der Mathelehrer, war jemand, den man auf der Straße grüßte. Heute grüßen ihn höchstens die Katzen, die überall unterwegs sind. Mit ihnen hat er mehr zu tun als mit den Menschen. Iwan weiß, welche Straßen viele harte, kleine Steine haben und welche nicht. Seine Hände kennen die Wege genau. Iwan geht auf allen vieren.

Iwan, der einmal Mathelehrer war, hat Hunger. Auf allen vieren kriecht er zum Haus von Schwester Karoline. Ohne Würde, aber mit viel Alkohol und Drogen kann er nur noch kriechen. Schwester Karoline lebt seit 40 Jahren in Santiago de Chile mit den Armen im Stadtteil Recoleta. Ihr Leben hat sie aus einem kleinen bayrischen Dorf im Altmühltal in die
Slums von Chile und die Bergdörfer von Peru und Bolivien geführt.       Als Ordensschwester ist sie ausgezogen und hat einen neuen Orden gegründet, Cristo Vive, Christus lebt. Selbst zu Zeiten der Militärdiktatur hat sie es geschafft, Menschen zu helfen. Menschen ihre Würde wiederzugeben – das klingt so groß. Doch wie sie das macht, ergibt das große Wort auf einmal Sinn. Buchstäblich tausende junge Frauen, die vorher kein anderes Leben kannten, als auf der Straße mit oder ohne Kinder zu leben, haben in Karolines Sozialwerk eine Ausbildung
zur Krankenschwester gemacht. Tausende junger Männer, die, außer      Drogen zu nehmen und dafür zu stehlen, keinen Plan für den Tag hatten, haben Lehren als Kfz-Mechaniker oder Tischler gemacht. Im Gesundheitszentrum mitten im Armenviertel werden regelmäßig
22.000 Menschen untersucht, geheilt, begleitet. Schwester Karoline beschreibt das so: Früher habe sie auch oft Angst gehabt. Ihre Mitschwestern würden auch mal böse, wenn im
Obdachlosenhaus wieder Schnapsflaschen unterm Bett stünden. Sie werde nicht mehr böse. Sie sagt: »Genau deshalb sind wir da«. Mittlerweile kann sie gar nicht anders leben. Sie lebt die Liebe. So nennt sie das und bei ihr klingt es glaubwürdig. Sie sagt: »Diese Liebe ist
erfinderisch in mir. Diese Liebe hat einen tiefen Urgrund in mir. Gott.« So einfach – so schwer. Als Ordensschwester hat man ihr früher immer gesagt, sie solle »aus Liebe zu Jesus« auf Geld verzichten, auf ihren eigenen Willen, auf ein neues Kleid. Jahrelang hat sie so gelebt. Heute lacht sie darüber. Sie sagt: »Die gute Botschaft, die wir allen erzählen, ist nicht, auf etwas zu verzichten. Die gute Botschaft ist: Vertrauen haben. Niemand braucht etwas zu tun, damit Gott ihn liebt. Wichtig ist nur eins: Wie komme ich in Kontakt mit ihm? Wo ist er– in mir? Wo ist sein Himmel?« Karoline tritt aus ihrem Haus und sieht Iwan auf allen vieren. »Hunger!« sagt er, das Gesicht nahe am Boden. Karoline geht in die Küche. Sie wärmt Essen vom Vortag und tut es auf einen Teller, nimmt Messer und Gabel mit. »Wie heißt du?« fragt sie ihn. »Iwan.« – »Iwan, du bist ein Mensch. Menschen haben einen Namen und Menschen gehen auf ihren Füßen. Ihre Hände brauchen sie anders. Hier, ich habe etwas zu essen für dich. Setz dich und iss, wie ein Mensch isst.«  Das ist einige Jahre her. Ein Tag, an dem Iwan nur ein Bier trinkt und wenig an Klebstoff riecht, ist ein guter Tag. An sehr guten Tagen hilft er Kindern in der Siedlung bei Mathehausaufgaben. Mehrmals in der Woche kommt er zu Schwester Karoline und klingelt an der Tür. Mit den Händen kommt er an den Klingelknopf, denn er geht wieder auf zwei Beinen.

Durch den Tod Jesu und seine Auferstehung können auch wir wieder aufstehen und auf unseren zwei Beinen stehen und nach vorne sehen. Auf das Kreuz, durch das Jesus uns befreit hat und auf den Weg, der dahinter liegt und uns in Gottes ewiges Reich bringt.

So soll es sein- So spreche ich Amen