Predigt zu Lukas 21,25-33

 

25 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, 26 und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. 27 Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. 28 Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.29 Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: 30 wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass der Sommer schon nahe ist. 31 So auch ihr: Wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist. 32 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht.33 Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.

 

Liebe Gemeinde, wir sind in froher Erwartung.

So sagen wir, wenn sich in unserer Familie ein neuer Erdenbürger angemeldet hat. In froher Erwartung ist eine Frau in den Monaten ihrer Schwangerschaft. Diese neun Monate sind eine Zeit der Veränderung und der intensiven Erwartung. Auf einmal werden ganz andere Dinge wichtig als vor der Schwangerschaft. Diese frohe Erwartung lässt aber auch ungeduldig werden. Viele fragen: Wann ist es denn soweit?

Spannend ist auch die Frage nach dem ärztlich errechneten Geburtstermin. Und dann ist er da: Der lang ersehnte Augenblick, in dem wir zum ersten Mal das neue Familienmitglied bestaunen können, die Erfüllung dieses monatelangen Wartens. Aber allen, die eine Geburt selbst miterlebt haben, ist auch deutlich vor Augen, mit welchen Ängsten, mit welchen Schmerzen, unter welchen Geburtswehen dieser erfüllende Moment Wirklichkeit geworden ist. Unter Wehen wird ein Mensch geboren.

Auch im Bezug auf ein nicht ganz einfaches Projekt reden wir von einer schwierigen Geburt.

So redet Jesus im Blick auf seine Wiederkunft von Geburtswehen, die mühsam und schmerzhaft sein werden. Seine Wiederkunft werde bald geschehen. Sie werde nicht ohne Schmerzen und ohne Schrecken geschehen. An diesem großartigen Tag werden sich alle ausstehenden Verheißungen erfüllen. Dann wird alles neu werden.

Doch es ist schon - um im Bild zu sprechen - eine schwierige Geburt mit der Wiederkunft Jesu. Seit zweitausend Jahren ist sie uns verheißen. Da ist die Unsicherheit selbstverständlich groß.

Es gibt zwei ganz unterschiedliche Auffassungen zu diesem Thema. Es gibt die Ungeduldigen, und es gibt die Zweifler. Die ganz Ungeduldigen, die können es gar nicht abwarten. Die Frage nach dem Wann ist es soweit? hat schon so manchen klugen Geist zu aberwitzigen Spekulationen verführt. Manch einer hat auch versucht, den Termin der Wiederkunft regelrecht zu errechnen. Es sind nicht nur die Zeugen Jehovas, die sich dazu verstiegen haben, ein konkretes Datum zu veröffentlichen. Dabei warnt uns Jesus, nicht darauf zu hören und denen nicht nachzulaufen, die verkünden: Hier ist der Christus. Er warnt uns vor den Verführungen der falschen Propheten. Jesus sagt, dass weder er noch die Engel wissen, zu welchem Zeitpunkt die Wiederkunft stattfinden wird. Nur Gott der Vater kennt Tag und Stunde. Es ist schon eine arge Geduldsprobe für die Ungeduldigen unter uns. Wie Eltern die Hand auf den immer größer werdenden Bauch legen und sich freuen über alle Anzeichen des sich regenden neuen Lebens, so glauben manche Menschen Anzeichen der baldigen Wiederkunft Christi erkennen zu können.

Jesus fordert uns auf, den Feigenbaum und überhaupt die laubtragenden Bäume anzuschauen: Wenn sie ausschlagen, ist der Sommer nahe. Der Feigenbaum ist ein uraltes Symbol für das jüdische Volk. Es gibt im Text wohl noch einen weiteren Bezug zum jüdischen Volk. Wenn Jesus davon spricht, dass dieses Geschlecht nicht vergehen wird, dann könnte er dies auch im Blick auf das Volk Gottes gesagt haben. Denn besonders in der Geschichte dieses Volkes lässt sich vieles ¸über das Handeln Gottes in der Geschichte ablesen. In diesem Jahr durfte der Staat Israel seinen sechzigsten Geburtstag feiern. Das ist im Blick auf die Umstände der Entstehung des Staates Israel und auch im Blick auf den seitdem andauernden Überlebenskampf ein Wunder. Interessant war für mich auch zu hören, dass die Wiederkunft Jesu für manche Machthaber in dieser Welt ein derartig heisses Eisen ist, dass zum Beispiel die Regierenden in China einer Kirche jegliche Verkündigung im Blick auf die Wiederkunft Jesu untersagt haben.

All diese Ereignisse deuten manche Menschen als Zeichen der bevorstehenden Wiederkunft Christi.

Nun zu den Zweiflern: Gab es nicht genügend Zeichen in den vergangenen 2000 Jahren, die sich im Nachhinein nicht unbedingt als Zeichen der Endzeit herausgestellt haben? Wie war das mit der Ängstlichkeit und Hochstimmung allein bei der ersten Jahrtausendwende nach Christi Geburt? Jetzt sind schon wieder tausend Jahre um. Die Zweifler rufen uns auf: Mensch, sei nüchtern. Wir müssen diese Gegenwart, diese Schöpfung gestalten und bewahren. Wir haben doch nur diese eine Erde.

 

So sehr ich die Fragen und Zweifel der Skeptiker auch nachvollziehen kann, halte ich ihnen dennoch entgegen: Wir sind in froher Erwartung! Auch wenn die Zeiträume unsere menschlichen Verstehensmöglichkeiten arg strapazieren. Bischof Christian Zippert hat einmal gesagt, dass er rückblickend auf seine Verkündigungstätigkeit bedauere, dass er nicht öfter und deutlicher ¸über den großen und schrecklichen Tag des Herrn gepredigt habe. In China verbietet man den Pastorinnen und Pastoren über dieses Thema zu sprechen, und hier in Deutschland sind es die Zweifler und Skeptiker oftmals innerhalb unserer eigenen Kirche, die dieses wichtige Thema meiden.

Dabei liegt Jesus dieser Ausblick auf die Zukunft sehr am Herzen. Er redet häufig und mit eindringlichen Worten über diesen Tag des Gerichts.

Die Zeit ist eine komplizierte Größe. Halten wir uns unsere eigene Zeitschiene vor Augen. Wenn dieser Tag des Gerichts für die gesamte Welt noch in weiter Ferne liegen mag - wer weiß, vielleicht wird es noch einmal tausend Jahre brauchen, bis Jesus wiederkommt -, so steht doch fest, dass keiner von uns noch tausend Jahre leben wird. Wenn wir sterben, werden wir vor dem Richterstuhl Christi stehen. Dann mündet unsere eigene kleine Zeit ein in Gottes große Zeit. So sehr sich auch bei manchen die verlockenden esoterischen und anthroposophischen Gedanken und Vorstellungen von einer Reinkarnation festgesetzt haben, die Heilige Schrift macht einen klaren Schnitt durch derartiges menschliches Wunschdenken: Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, heißt es im Hebräerbrief. Und im Psalm 39 V.5 heißt es: Herr, lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss.

Unser Leben hat ein Ziel. Es gibt einen Tag, den auch die Vergesslichsten unter uns nicht verpassen werden. Es ist dieser Tag, an dem wir vor dem Thron Jesu stehen werden. Der Tag des Gerichts ist für jeden von uns die Vorwegnahme der Wiederkunft Jesu.

Wir leben in einer doppelten Bewegung. Jesus kommt uns entgegen, und wir gehen mit jedem Atemzug auf ihn zu. Auch aus diesem Grund ist die Adventszeit seit alters her eine kostbare Zeit der inneren Vorbereitung. Eine Zeit des Fastens und der Selbstbeschränkung. Des Innehaltens und der erneuerten Zielausrichtung. Wofür lebe ich? Was von dem, was ich sage und tue, hat wirklich Bestand? Auch im Hinblick auf den Tag des Gerichts?

Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth:

Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird klar machen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch. (1.Kor 3,11-15)

Das Fundament kann nur Jesus sein, wenn unser Lebensgebäude Bestand haben soll. Und doch kommt es darauf an, was ich darauf baue. Gott durchschaut alle Potemkinschen Dörfer, die nur aus großartigen Fassaden bestehen, und dahinter ist gähnende Leere. Er lässt sich nicht von unseren schöngefärbten Statistiken beeindrucken. Er schaut, was von Herzen kommt.

Wie kann man dann davon reden, dass das Beste noch kommt und wir in froher Erwartung sind? Gerade weil es die einzig unumstößliche Tatsache unseres Lebens ist, dass jeder von uns einmal sterben muss, so sehr wir solche Gedanken auch verdrängen mögen. Es ist kostbar, eine Hoffnung über den Tod hinaus zu haben. Der Weg ist einfach. Paulus lädt uns ein: Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. (Röm 10,9)

Er, der von sich so ausschließlich als Weg, Wahrheit und Leben gesprochen hat, lädt uns ein, unsere Herzenstür für ihn zu öffnen. Jesus steht vor unserer Tür und klopft an. Wer ihn zu sich einlässt, wird Jesu verändernde und heilende Gegenwart erfahren.

 

Er, der vor zweitausend Jahren in einem Stall in Bethlehem geboren wurde, möchte für dich zum Licht deines Lebens werden. Er möchte in deinem Herzen geboren werden und dich so zu einem neuen Leben führen.

Im ersten Lied unseres Gesangbuchs heißt es dazu einladend:

Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein; dein Freundlichkeit auch uns erschein. Dein Heilger Geist uns führ und leit den Weg zur ewgen Seligkeit. Dem Namen dein, o Herr, sei ewig Preis und Ehr. Amen.